Gut ein Viertel aller Apotheken in Deutschland dürfte inzwischen in einer lukrativen Lage in einem Ärztehaus liegen. Das geht aus einer Hochrechnung auf Grundlage einer Analyse der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (Apobank) hervor. 100 Ärztehäuser wurden exemplarisch unter die Lupe genommen, in 70 davon gab es Apotheken. Als Eigentümer von Ärztehäusern treten Apotheker dagegen deutlich seltener auf. Nur ein Drittel der Ärztehäuser gehören überhaupt Heilberuflern. Wie viele davon Apotheker sind, ist nicht bekannt.
Die Apobank rät Apothekern und Ärzten zu größerem Engagement in Ärztehäuser. Denn der demografisch bedingte wachsende Versorgungsbedarf sowie die Herausforderungen in der Versorgung des ländlichen Raums führten in Zukunft zu einem Anstieg heilberuflicher Kooperationsformen wie Ärztehäusern. Georg Heßbrügge, Leiter des Bereichs Gesundheitsmärkte und -politik bei der Apobank: „Auch die heilberufliche Nachwuchsgeneration schätzt die flexiblen Berufsausübungsmöglichkeiten solcher Kooperationen. Im Vergleich zum MVZ genießen Praxisbetreiber in Ärztehäusern zudem größere Freiheiten. Für Ärzte und Apotheker, die selber Gestalter ihrer Zukunft sein und gleichzeitig unternehmerischen Erfolg haben wollen, bieten Ärztehäuser insgesamt eine sehr gute marktgängige Basis.“
1968 wurde das erste Ärztehaus laut Apobank im hessischen Neu-Isenburg eröffnet. Inzwischen existieren nach Schätzungen bundesweit bis zu 8000 solcher Gesundheitsstandorte. In einer Marktanalyse berichtet die Apobank jetzt erstmals über die Struktur dieser Einrichtungen – inklusive Apotheken. Rechnet man die bei den 100 untersuchten Ärztehäusern ermittelte Quote von 70 Prozent hoch, so dürften 5600 Apotheken in Ärztehäusern arbeiten.
Die Apobank beobachtet in der ambulanten Medizin einen Trend zur Vernetzung der Heilberufe: „Sei es der fachliche Austausch, die Möglichkeit verschiedene medizinische Fachrichtungen zu bündeln oder schlicht Kosteneinsparungen zur realisieren – die Gründe, warum mehr und mehr Ärzte Kooperationen bei der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit eingehen, sind vielfältig“, so die Apobank. Neben Berufsausübungsgemeinschaften, Praxisgemeinschaften oder Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) entstünden immer mehr Ärztehäuser.
Die eigenständiger Arztpraxen könnten sich am gemeinsamen Standort technische Geräte, Empfangs-, Warte- und Sanitärbereiche oder Schulungsräume bis hin zu Personal teilen. Im Durchschnitt, so die Analyse, sind rund 15 Ärzte an einem gemeinschaftlichen Gesundheitsstandort tätig, bei zwei Ärzten pro Praxis. In einem Ärztehaus sind also im Schnitt rund sieben Praxen, meist unterschiedlicher Fachrichtungen, untergebracht.
Die häufigsten nichtärztlichen Mieter gehören Apotheken (70 Prozent), Physiotherapiepraxen (55 Prozent) und Hörgeräteakustiker (20 Prozent). In jedem dritten Ärztehaus finden sich darüber hinaus gastronomische Betriebe wie Cafés und Bistros oder auch Handelsunternehmen und Drogerien. Diese nicht-medizinischen Mieter erhöhen so insgesamt die Attraktivität des Standorts.
„Das erweiterte medizinische und pharmazeutische Angebot sowie die zusätzlichen Einrichtungen sind für Patienten und Kunden in vielerlei Hinsicht interessant. Besonders, wenn sie verkehrsgünstig liegen und die Infrastruktur eine gute Erreichbarkeit gewährleistet. Die Praxen können hier in der Regel sehr wirtschaftlich arbeiten“, so Heßbrügge.
Moderne Ärztehäuser verfügten über einen hohen Aufmerksamkeitsgrad in der Bevölkerung. Als Gesundheitszentren seien sie oft als eigene Marke in der Region bekannt und ein Anziehungspunkt für Patienten. Laut Apobank-Analyse befinden sich aktuell 38 Prozent der Ärztehäuser in Großstädten, 41 Prozent in mittelgroßen Städten und 21 Prozent in Kleinstädten. Der Markenwert des Standorts trage zudem zu einem höheren Praxiswert bei, was sich positiv auf die Nachfolgeregelung auswirken kann.
Hauptgrund für die Gründung von Ärztehäusern sind nach Aussage von 65 Prozent der Initiatoren Synergieeffekte bei Kosten und Einnahmen sowie die Möglichkeit, Netzwerke zu bilden. Marketingeffekte, die sich aus der gemeinsamen Einrichtung ergeben, wurden zu 48 Prozent genannt. Der Wunsch nach Teamarbeit spielte für 39 Prozent der Initiatoren eine Rolle.
Allerdings sind derzeit nur ein Drittel der Initiatoren von Ärztehäusern Heilberufler und mehr als die Hälfte Investoren. Grund dafür könnte laut Apobank sein, dass die Realisierung einer Immobilie – zumal wenn sie zeitgleich mit der eigenen beruflichen Niederlassung oder einem Umzug erfolgt – als sehr komplex empfunden wird. „Wir sehen jedoch Vorteile, wenn Ärzte gemeinsam als Investoren auftreten und sich auch in der Immobilie engagieren. Denn dann bestimmen sie nicht nur die medizinische Ausrichtung eigenständig, sondern verfügen mit dem Wert der eigenen Praxis und dem Immobilienteil über den kompletten Grundstein ihres unternehmerischen Erfolgs“, so Heßbrügge.
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