Apotheken in Kinderarztnähe kennen das Problem: Neugeborene haben oft noch keine Versichertennummer und doch stellen die Mediziner Rezepte aus. Apotheken laufen Gefahr, eine Retaxation zu kassieren, wie kürzlich geschehen. Die AOK kürzte auf Null, bot der Apotheke jedoch zugleich die Möglichkeit, das Rezept erneut einzureichen und die Versichertennummer nachzutragen. Die lieferte die Kasse überraschenderweise gleich mit. Doch nicht jede Kasse geht diesen Weg.
„Die angelieferte Krankenversicherungsnummer ist fehlerhaft oder ungültig. Bitte bereinigen Sie Ihren Datenbestand und reichen die Rechnung erneut mit folgender Krankenversicherungsnummer […] ein“, begründete die AOK die Retaxation. Nötig war dies aus Sicht der Kasse, weil die Versichertennummer des Neugeborenen fehlte. Und die Kasse zahlt gewöhnlich erst, wenn das Kind auch angemeldet ist.
Die Apotheke hat dann in der Regel zwei Möglichkeiten – mit der Abrechnung warten, bis die Eltern die Versicherungsnummer nachreichen, sobald die Karte da ist. Oder selbst bei der Kasse nachfragen, ob das Kind schon aktenkundig ist. Die erste Möglichkeit bedeutet einen nicht unerheblichen Mehraufwand für die Apotheke. Mitunter kann die Ausstellung eines neuen Rezepts oder eine Änderung des Ausstellungsdatum notwendig sein, wenn zum Zeitpunkt der Vorlage der Versichertenkarte der Abrechnungszeitraum überschritten wurde.
Zum Problem kann es in beiden Fällen werden, wenn die Eltern das Neugeborene noch gar nicht bei der Krankenkasse angemeldet haben. Doch genau das müssen sie tun, denn nur dann kann die Kasse den Neugeborenen eine Versichertennummer ausstellen. Dazu bedarf es eines Antrags und einer Kopie der Geburtsurkunde. „Innerhalb weniger Tage nach Antragstellung erhält das Neugeborene eine eigene Versichertennummer. Aus unterschiedlichen Gründen kann diese Vergabe auch etwas länger dauern. Unabhängig von diesem Vergabeverfahren ist die medizinische Versorgung für das Neugeborene von der Geburt an selbstverständlich gesichert und hat höchste Priorität“, so die AOK Nordost.
Laut AOK Nordost ist die fehlende Versicherungsnummer bei Neugeborenen eigentlich gar kein Retaxgrund. „Eine fehlende oder falsche Versichertennummer bei Neugeborenen ist daher bei der AOK Nordost kein Grund für eine Retaxierung. Mitunter kommt es vor, dass wir die Versichertennummer im Datensatz ergänzen, sollte diese nicht auf dem Rezept stehen. Manchmal tragen die Arztpraxen und/oder Apotheken die Versichertennummer der Mutter oder des Vaters ein, wenn das Neugeborene noch keine Versichertennummer hat. Auch diese Rezepte werden von uns entsprechend geändert und nicht retaxiert. In Ausnahmenfällen kann es jedoch vorkommen, dass Verordnungen für Milchpumpen oder Inhalationsgeräte abgelehnt werden müssen, weil diese keinem Versicherten zugeordnet werden können.“
Für die Arztpraxen ist die fehlende Versichertenkarte meist kein Problem, denn die Mediziner dürfen bis zu sechs Monaten im Rahmen des Ersatzverfahrens Neugeborene und Säuglinge behandeln. Gleiches gilt auch für Behandlungen im Notfall oder bei einem Hausbesuch, wenn der Patient keine Versichertenkarte vorlegen kann oder das Kartelesegerät nicht funktioniert beziehungsweise nicht verfügbar ist. In diesen Fällen genügt es, anstelle der Versichertennummer Name, Vorname und Geburtsdatum des Patienten anzugeben.
Für die AOK Niedersachsen ist die fehlende Versichertennummer der Neugeborenen kein Problem. „Für die Apotheke besteht kein Retaxproblem“, teilt ein Sprecher mit und erklärt das Verfahren in der Praxis: Zwar fielen die Verordnungen in der Anspruchsprüfung aufgrund der fehlenden Versicherungsnummer auf, da diese zum Zeitpunkt der Rezeptausstellung noch nicht vorliege. „Da wir zeitlich versetzt rückwirkend prüfen (circa neun Monate), liegen zu diesem Zeitpunkt bereits Versichertendaten vor. Das bedeutet, ‚fehlerhafte‘ Rezepte werden dann mit dem Versichertendatenbestand abgeglichen.“ Ist der Säugling zu diesem Zeitpunkt mittlerweile im Datenbestand registriert, entfalle jede weitere Prüfung.
Ist das Kind allerdings zum Zeitpunkt der Rezeptprüfung noch nicht aktenkundig, muss recherchiert werden, bei welchem Kostenträger das Baby versichert ist. „In diesen Fällen gibt es einen Ersatzanspruch an die zuständige Kasse“, erklärt ein Sprecher der AOK Niedersachsen den Vorgang. Von dem der Apotheker im Übrigen nichts merke. „Das Verfahren läuft bilateral zwischen der AOK Niedersachsen und der betroffenen Krankenkasse. Die Apotheke wird auf jeden Fall vergütet und nicht wegen fehlender Mitgliedschaft des Babys retaxiert.“
Auch bei der Barmer hat die Apotheke keine Retaxation zu befürchten. „Wenn auf einem Rezept keine Versichertennummer aufgedruckt ist, greift das Ersatzverfahren. Dann sind Name, Vorname und Geburtsdatum erforderlich, damit die Verordnung als ordnungsgemäß ausgestellt gilt. Das Verfahren gilt auch bei Rezepten für Neugeborene“, teilt ein Sprecher mit.
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