Inhaberin bekam kein Anschreiben

AOK-Retax: „23.000 Euro sind einfach weg“

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Berlin -

Inhaberin Silke Hans muss aktuell Retaxationen in Höhe von etwa 23.000 Euro verkraften. Ein Patient wurde in der Markt-Apotheke in Kleve mit Hochpreisern versorgt. „Verordnet waren Fertigpens, es waren aber nur Fertigspritzen lieferbar“, erklärt sie. Die AOK strich das Geld gnadenlos. Das Problem: „Wir haben keinen Bescheid über die Absetzung bekommen und konnten demnach keinen Einspruch erheben.“

Regelmäßig versorgt Hans in ihrer Apotheke einen Patienten mit dem Hochpreiser Hulio (Adalimumab, Mylan). Eingesetzt werden die Fertigspritzen oder -pens gegen Psoriasis-Arthritis bei Erwachsenen. „Wir haben im Januar dazu eine Retaxation der AOK bekommen“, erklärt die Inhaberin. „Die Kasse setzte den Betrag voll ab, weil der Fertigpen verordnet war, aber die Fertigspritzen abgegeben wurden.“

Durch die Retaxation stutzig geworden, schaute sich die Apothekerin die sogenannte Differenzaufstellung ihres Rechenzentrums genauer an. „Und siehe da, im vergangenen Jahr wurden mir für drei Hulio-Rezepte ebenfalls Nullretaxen aufgebrummt“, ärgert sich Hans. Demnach fehlen ihr für die vier Rezepte insgesamt etwa 23.000 Euro.

Problem Darreichungsform

Das Problem sei die Deklaration des Arzneimittels in der Warenwirtschaft. „Hulio wird in der Taxe unter Injektionslösung kurz ILO geführt. Gebe ich den Artikel ein und prüfe Lieferbarkeit und Rabattverträge, lande ich schlussendlich bei einer Fertigspritze. Das ist so jedoch nicht auf den ersten Blick ersichtlich“, beklagt sie. Ohnehin seien fast ausschließlich die Fertigspritzen lieferbar. „Um den Patienten zu versorgen, muss ich also ohnehin die Darreichungsform austauschen, obwohl der Fertigpen verordnet wurde.“

Den Austausch hätte sie eigentlich auf dem Rezept dokumentieren müssen. „Das ist uns durch die irreführende Deklaration durchgerutscht.“ Was sie besonders ärgert: „Auch die Chance, die Rezepte zu revidieren, wurde mir genommen, denn ich habe zu den drei Retaxen aus dem vergangenen Jahr kein Schreiben bekommen.“ So sei die Einspruchsfrist von sechs Wochen verstrichen. „Aufrufen kann ich die Verordnungen nach der langen Zeit auch nicht mehr.“

Problem ist bekannt

Als sich Hans an ihr Rechenzentrum wandte, wurde klar: „Das Problem ist bekannt. Es kommt immer wieder vor, dass Schreiben der Kasse einfach nicht verschickt werden. Ich vermute, das hat Methode.“ Auch der Apothekerverband Nordrhein kann nicht weiterhelfen. „Es ist ja gesetzlich geregelt, das ein Austausch zwischen Pen und Spritze nicht ohne weiteres stattfinden darf.“

Da bleibe nur noch eins: „Ich soll laut einer AOK-Mitarbeiterin dennoch einen Einspruch über die Hulio-Retaxen schicken. Mittlerweile habe ich einen ganzen DIN-A-4-Ordner voll mit Nachweisen zu den Lieferbarkeiten. Ich habe davon akribisch genau Screenshots angefertigt. Ich kann nur auf Gnade hoffen, ansonsten sind 23.000 Euro futsch“, erklärt die Inhaberin. „Das Prekäre ist, dass der AOK keinerlei Schaden entstanden ist, denn Pen und Spritze haben einen identischen Preis. Man sollte deswegen im Sinne des Patienten denken“, findet die Apothekerin. „Zumal der Patient mittlerweile auch die Spritzen schon verordnet bekommen hat und als angenehmer empfindet.“

Retaxschreiben fehlen oft

Was Hans außerdem feststellen musste: „Im Zuge meiner unsäglichen Hulio-Retaxen habe ich mich mal wieder mit dem Thema befasst. Wir sind beim ARZ und ich hab die Differenzaufstellungsliste aus der Abrechnung gefiltert, um zunächst mal meine Gutschriften abzugleichen“, erklärt sie. Vier volle Seiten mit Retaxationen seien bei ihr noch offen. „Aber nur ganze sechs Gutschriften, die wir im vergangenen Jahr erhalten haben.“ Mehr noch: „Es gibt zu den allerwenigsten überhaupt Retaxschreiben, das Geld wird also einfach abgezogen“, ärgert sie sich.

Retaxationen im Rahmenvertrag geregelt

Konkret heißt es: „Im Rahmenvertrag in § 129 ist nach Absatz 2 ist zu regeln, welche Maßnahmen die Vertragspartner auf Landesebene ergreifen können, wenn Apotheken gegen ihre Verpflichtungen nach Absatz 1, 2 oder 5 verstoßen. In dem Rahmenvertrag ist zu regeln, in welchen Fällen einer Beanstandung der Abrechnung durch Krankenkassen, insbesondere bei Formfehlern, eine Retaxation vollständig oder teilweise unterbleibt.“

Die Krankenkasse muss eine Retaxation innerhalb von zwölf Monaten nach Ende des Kalendermonats aussprechen, in dem die Lieferung erfolgte. Demzufolge ist es zwingend notwendig, die Apotheke über die Kürzung zu informieren.

Gegen die Retaxation kann die Apotheke innerhalb von drei Monaten Einspruch einlegen. Der Einspruch muss schriftlich begründet werden. Die Krankenkasse muss innerhalb einer vorgegebenen Frist auf den Einspruch reagieren. Tut sie das nicht, gilt der Einspruch als anerkannt.

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