Mit Erstaunen mussten Gunnar Müller, Inhaber der Sonnen-Apotheke in Detmold, und einer seiner Patienten Anfang Juni feststellen: Plötzlich ist auf zwei der seit Monaten immer wieder verordneten Medikamente mit dem Wirkstoff Ramipril eine Zuzahlung zu leisten, wo sonst eine Gebührenbefreiung galt. „Den Kassen fehlt eindeutig Geld, dieses holen sie sich jetzt bei den Patienten“, so die Interpretation des Apothekers.
Die Verordnungen für den Stammkunden der Apotheke gleichen laut Müller einem „Schweizer Uhrwerk“: „Es sind immer dieselben Medikamente, die auf dem Rezept stehen. Der Kunde bekommt ein Ramipril in der Stärke 5 mg und ein Ramipril, das mit HCT à 12,5 mg kombiniert ist.“ Die geleistete Zuzahlung könne er über sein System nachvollziehen. „Bisher musste mein Stammkunde mindestens seit vergangenem Juli keine Zuzahlung leisten für beide Verordnungen.“
Doch das hat sich jetzt geändert. Mit Inkrafttreten der neuen AOK-Rabattverträge zum 1. Juni ist die „kassenspezifische Zuzahlungsermäßigung“ für Ramilich entfallen – allerdings nur bei der AOK Nordwest. Andere AOKen erlassen ihren Versicherten die Zuzahlung beim Rabattarzneimittel nach wie vor komplett. „Das ist doch sehr merkwürdig“, so Müller.
Nicht nur der Patient selbst war sehr verärgert, auch der Inhaber wundert sich, warum es ohne Vorankündigung zu einer Erhöhung der Zuzahlung kommt: „Für mich ist der Fall fast klar. Die Kassen brauchen Geld und bereichern sich nun an den Patient:innen.“ Dabei erfolgte die Erhöhung nicht etwa aufgrund gestiegener Festbeträge oder Preisänderungen: „Ich habe das alles geprüft, es gab keine derartige Anpassung, und die abgegebene Firma ist auch immer noch Vertragspartner. Ich als Apotheker muss mich aber vor dem Patienten rechtfertigen und irgendwie erklären, dass er nun plötzlich 15 statt wie gewohnt nur 5 Euro für seine drei Medikamente zahlen soll. Die wenigsten Menschen haben dafür Verständnis, sehen aber zugleich aber auch, dass es aussichtslos ist, sich mit der Kasse zu streiten.“
Da Ramipril und die Kombinationen mit HCT zu den Schnelldrehern gehören, rechnet Müller auch demnächst mit unangenehmen Situationen: „Viele der AOK-Versicherten haben im März die letzte Verordnung bekommen und mussten keine Zuzahlung leisten. Diese Kund:innen werden im Juni wieder zu uns in die Offizin kommen und ebenso erstaunt und verärgert sein über die Mehrkosten. Dann sind wir der Prellbock und müssen Rede und Antwort stehen.“
Bei Rabattverträgen können die Kasse die Zuzahlung ganz oder teilweise erlassen, auch wenn der Listenpreis nicht 30 Prozent unter Festbetrag liegt. Doch seit Jahren gibt es immer wieder Fälle, in denen Patienten zur Kasse gebeten werden, obwohl zuzahlungsbefreite Alternativen ohne Rabattvertrag existieren und die Kassen ohnehin viel mehr Geld mit ihrem Vertrag sparen.
Auch Müller hatte schon 2018 Ärger damit: Für das Arzneimittel Salbuhexal wurde damals von der AOK Nordwest der bisherige freiwillige Verzicht auf Zuzahlung durch die Kasse gestrichen. Plötzlich wurden mindestens fünf Euro fällig. Und auch bei Pantoprazol war eines der neuen Rabattpräparate damals plötzlich zuzahlungspflichtig.
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