AOK kündigt Inko-Vertrag Nadine Tröbitscher, 30.05.2017 10:11 Uhr
Inkontinenzversorgung ist nicht nur ein Tabuthema für die Patienten, sondern wird auch mehr und mehr zum roten Tuch für die Apotheken. Aktuell kündigt die AOK Niedersachsen den Apotheken die Versorgungsverträge für aufsaugende Inkontinenzartikel.
Ab August wird in Niedersachsen alles anders, zumindest was die Erstversorgung von Patienten mit aufsaugenden Inkontinenzartikeln angeht. Die AOK will neu verhandeln und kündigt die aktuellen Verträge „fristgerecht zum 31. Juli“. Die entsprechenden Schreiben wurden kürzlich verschickt. Betroffen sind mehr als 200 Apotheken und ihre Kunden.
Die Kasse will nach eigenem Bekunden weiterhin mit den Apotheken zusammenarbeiten. Patienten können bis auf Widerruf auf der Basis der bestehenden Verträge weiter beliefert werden. Das bedeutet, dass die Apotheken ihre Kunden auf Basis von 25 Euro netto auch nach dem 1. August wie gewohnt versorgen können – soweit die Aussage eines AOK-Sprechers.
Wer ab August jedoch bei der Erstversorgung mit dabei sein will, muss ein Angebot abgeben oder den neuen Verträgen beitreten. Man kündige die Verträge turnusmäßig, um sie an die aktuellen Marktgegebenheiten anzupassen – „bei unverändert hohen Qualitätsvorgaben für die Produkte“, begründet der AOK-Sprecher den Schritt.
Die Apotheker sehen die Kündigung kritisch und die Versorgung der Patienten gefährdet. Würden die Preise noch weiter gesenkt, sei eine qualitativ hochwertige Versorgung nicht mehr zu leisten, sagt ein Pharmazeut. Die Inkontinenzversorgung bringe ohnehin keinen Umsatz mehr, sondern nur Arbeit. Dennoch sieht er sich in der Pflicht, seine Patienten zu versorgen. Gerade auf dem Land sei die Lage ernst. Zentrale Versorger würden Ware liefern, die für die Patienten ungeeignet sei.
Der Apotheker will nun den Landesapothekerverband mit einbeziehen und hofft auf Hilfe. Zudem werde er Pflegedienste mobilisieren, um noch möglichst viele Patienten vor Ablauf der Frist zu den alten Konditionen versorgen zu können. Die AOK wird in den kommenden Tagen die Verhandlungsabsicht veröffentlichen, der Versorgungspreis wird erst später bekannt gegeben.
Betroffen sind die Verträge nach § 127 Absatz 2 Sozialgesetzbuch (SGB V). Präqualifizierte Apotheken können den Verträgen der Krankenkassen beitreten und den Versicherten „eine bedarfsgerechte, ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung“ sicherstellen. Dazu sind Hilfsmittel einzusetzen, die in das Hilfsmittelverzeichnis aufgenommen sind. Mitte April war das neue Heil- und Hilfsmittelgesetz (HHVG) in Kraft getreten, das die Preisspirale stoppen und die Qualität der Versorgung verbessern soll. Die TK hatte Ende 2016 noch schnell eine Ausschreibung für ableitenden Inkontinenzhilfen und intravaginale Kontinenztherapiesysteme gestartet.