Kassen retaxieren MCP Alexander Müller, 19.02.2015 10:23 Uhr
Der Rückruf der MCP-Tropfen im vergangenen April war ein mittelschwerer Aufreger in den Apotheken. Zwar hatte sich der Entzug der Zulassung abgezeichnet, dennoch war der Markt nicht vorbereitet. Adäquaten Ersatz gab es nicht. Monate später haben einige Apotheken erneut Ärger: Mindestens zwei Kassen haben retaxiert, wenn MCP-Tropfen am Tag nach dem Widerruf abgegeben wurden.
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hatte am 15. April bekannt gegeben, dass die Zulassung für verschiedene Metoclopramid-haltige Arzneimittel widerrufen wird. Dies betraf unter anderem die gängigen Tropfen mit einer Konzentration von mehr als 1 mg/ml.
Die Hersteller riefen ihre Produkte unmittelbar zurück, sie waren vorab am 9. April informiert worden: „Die Arzneimittel sind ab dem Datum der Zustellung des Bescheides nicht mehr verkehrsfähig“, hieß es in dem Schreiben des BfArM. In einer Veröffentlichung des Instituts hieß es: „Die vom Widerruf betroffenen Arzneimittel sollten ab sofort nicht mehr verordnet beziehungsweise abgegeben werden.“ Diese Information erschien allerdings erst in einer Zusammenfassung am 23. April.
In den Apotheken herrschte für kurze Zeit Unsicherheit, bis wann MCP-Tropfen noch abgegeben werden dürfen. In den AMK-Meldungen, die in der Standespresse veröffentlicht werden, wurde der Rückruf erst am 17. April publiziert. Aus Sicht einiger Kassen war dennoch der 15. April der maßgebliche Stichtag. Die AOK Sachsen-Anhalt etwa hat Apotheker auf Null retaxiert, die MCP-Präparate am Folgetag abgegeben hatten.
Die Kasse begründet ihr Vorgehen so: „Mit dem Entzug der Verkehrsfähigkeit ist den Apothekern mit sofortiger Wirkung eine Abgabe an Patienten untersagt. Die Medikamente konnten gegen Erstattung an die Arzneimittelhersteller zurückgegeben werden. Es entfällt der Anspruch der Apotheker auf Vergütung durch die GKV.“ Wie viele Apotheken betroffen waren und welche Summe die AOK in diesem Zusammenhang insgesamt retaxiert hat, erklärt die Kasse auf Nachfrage nicht.
Mehrere MCP-Retaxationen sind auch von der DAK bekannt. Ein Sprecher der Kasse erklärt hierzu: „Aufgrund einer Entscheidung der EMA wurde zum 15. April 2014 durch das BfArM die Zulassung für MCP-Tropfen widerrufen und dies durch Großhandel und Medien bekanntgemacht, daher haben wir die Verordnungen mit den Abgabedatum ab 16. April 2014 auf 0 retaxiert.“
Allerdings handelte es sich offenbar nicht in allen Fällen um Unsicherheiten bezüglich des Datums. Dem DAK-Sprecher zufolge wurden „noch bis Juni MCP-Tropfen abgerechnet und entsprechend retaxiert“. Laut IMS Health wurden beispielsweise im Monat Mai insgesamt noch 5600 Packungen abgegeben.
Andere Kassen haben nicht retaxiert: Laut der KKH sei bei einem Rückruf der zeitliche Versatz zu beachten. Auch Barmer GEK und Techniker Krankenkasse (TK) erklärten auf Nachfrage, keine Retaxationen im Umfeld des Rückrufs ausgesprochen zu haben.
Die Frage ist, ab wann die Apotheker davon wissen mussten, dass sie die Präparate nicht mehr abgeben dürfen. Fragt man Juristen, ist von einem „zumutbarem Maß für die Gelegenheit zur Kenntnisnahme“ die Rede. Eine eindeutige Definition, welches die maßgebliche Veröffentlichung ist, gibt es offenbar nicht.
Auch die ABDA kann keine belastbaren Aussagen dazu treffen, ob die BfArM-Information oder die AMK-Meldung für die Apotheker bindend ist: Zu der Frage seien Verfahren anhängig und das Thema werde intern noch geprüft, heißt es aus der Jägerstraße. Retaxierten Apothekern wird geraten, sich an ihren Landesverband zu wenden.
Ein Rote-Hand-Brief wurde seinerzeit beim Rückruf nicht verschickt. Das BfArM hatte die Hersteller auch informiert, dass ein Rückruf der betroffenen Arzneimittel auf Patientenebene nicht vorgesehen sei.
Die EMA hatte seit 2011 auf Antrag der französischen Arzneimittelbehörde ANSM eine Risikobewertung für alle MCP-Monopräparate durchgeführt. Im Oktober 2013 stand die Stellungnahme der Experten. Mit dem BfArM-Bescheid wurde ein Durchführungsbeschluss der EU-Kommission umgesetzt: Die Brüsseler Behörde hatte schon am 20. Dezember 2013 entschieden, die Zulassung für metoclopramidhaltige Arzneimittel ab einem bestimmten Grenzwert zu widerrufen.