Das Mikrobiom im Darm ist störanfällig. Nach jeder Antibiotika-Gabe wird die Darmflora um 5-10 Prozent reduziert. Zwar kann sie sich wieder erholen, einige nützliche Bakterien verschwinden jedoch dauerhaft. Eine Nachbehandlung mit entsprechenden Präparaten ist daher dringend zu empfehlen.
Ein Antibiotikum zerstört nicht nur pathogene Keime, sondern auch ganze Stämme der natürlich im Darm vorkommenden Bakterien: Das hat Einfluss auf die Verdauung und das Immunsystem des Körpers. „Das Mikrobiom im Darm ist ein störanfälliges Gebilde. Gerät es aus dem Gleichgewicht, drohen Infektionen, Übergewicht und Diabetes sowie entzündliche und neurologische Erkrankungen“, sagt Dr. Sofia Forslund, Forscherin am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) in Berlin.
In einem internationalen Team untersuchte sie, wie sich Breitband-Antibiotika auf das Zusammenspiel der Darmbakterien auswirken können. „Wir konnten zeigen, dass sich das Mikrobiom ein halbes Jahr nach der Medikamentengabe fast vollständig erholt hatte.“ Die Krux ist jedoch: „Einige empfindliche Bakterienarten blieben dauerhaft verschwunden“, so Forslund in einer Mitteilung des Zentrums.
In der Erhebung bekamen zwölf gesunde junge Männer über einen Zeitraum von vier Tagen eine antibiotische Mischung aus Meropenem, Gentamicin und Vancomycin verabreicht. Die Reserve-Antibiotika kommen vor allem bei Infektionen mit resistenten Bakterien zum Einsatz. Die Forscher:innen untersuchten im Anschluss für sechs Monate das Mikrobiom der Probanden. Anhand einer DNA-Sequenzierung konnten Bakterienarten und ihre Gene bestimmt werden. Besonderes Interesse hatten die Wissenschaftler:innen dabei an sogenannten Resistenz-Genen, mit denen sich die Keime gegen Medikamente verteidigen.
Das Erstaunliche war, dass trotz der hochwirksamen Antibiotika der Darm nicht vollständig von allen Bakterien befreit werden konnte. Unter den verbliebenen Bakterien entdeckte das Team zudem bislang unbekannte Stämme. Einige wandelten sich zu Sporen um: so können die Lebensformen mehrere Jahre überdauern. Die anschließende Wiederbesiedelung des Mikrobioms im Darm erfolgte schrittweise: „Ganz ähnlich, wie wenn sich ein Wald nach einem Brand langsam wieder erholt“, so Forslund. Allerdings nutzen eher krankmachende Bakterien die Gunst der Stunde. Parallel dazu konnten die Wissenschaftler:innen in den Mikroorganismen besonders viele Virulenzfaktoren ausmachen. „Diese Beobachtung erklärt gut, warum die meisten Antibiotika Magen-Darm-Störungen hervorrufen“, so Forslund in der Mitteilung.
Nach einem Zeitraum von etwa sechs Monaten normalisierte sich die Zusammensetzung der Darmflora wieder, und nützliche Bakterien ersetzten pathogene Keime. Milchsäure produzierende Bifidobakterien vermehrten sich zunehmend, um Krankheitserreger fernzuhalten. Die Forscher:innen konnten jedoch auch feststellen, dass einige der früheren Arten fehlten. Überlebende pathogene Bakterien wiesen zudem auch mehr Resistenzen auf.
Deshalb sei es wichtig, jede Antibiotika-Therapie genau abzuwägen, so Forslund, und nach erfolgter Gabe entscheidend, die Darmflora mit jenen Bakterien zu ergänzen, die sich im Darm auch ansiedeln und vermehren können.
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