Anti-Korruptionsgesetz

Wenn die Kammern Strafrecht schreiben

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Berlin -

Die Große Koalition arbeitet an einem Anti-Korruptionsgesetz speziell für das Gesundheitswesen. Laut dem bisherigen Entwurf soll das Strafrecht verschärft werden, sodass bestechliche Ärzte und Apotheker je nach Fall sogar ins Gefängnis müssen. Doch Experten sehen zahlreiche Schwachstellen an den bisherigen Plänen der Regierung. Kritisiert wird vor allem eine Kopplung an das Berufsrecht.

Auslöser ist ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) im Sommer 2012, wonach sich korrupte Ärzte nach geltendem Recht nicht strafbar machen. Seitdem diskutiert die Politik über eine Lösung. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hatte Ende Januar seinen ersten Gesetzentwurf vorgelegt. Das Strafgesetzbuch (StGB) soll um § 299a ergänzt werden: Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen.

Beim Versuch, die Strafbarkeitslücke zu schließen, wurde der Tatbestand im Referentenentwurf laut dem Strafrechtsexperten Professor Dr. Hauke Brettel sehr weit gefasst. So wurde etwa der Täterkreis nicht – wie ursprünglich geplant – auf die Ärzte beschränkt, die als Verordner „Schlüsselfiguren bei der Konkretisierung von Behandlungsansprüchen“ seien.

Erfasst sind laut Entwurf stattdessen Angehörige aller Heilberufe. Problematisch bei Apothekern ist Brettel zufolge, dass sie eine stärkere legitime Orientierung an wirtschaftlichen Interessen haben als ihre ärztlichen Kollegen. Das erschwert die Abgrenzung von legalem und illegalem Verhalten.

Strafbar macht sich künftig, verkürzt gesagt, jeder Heilberufler, der sich Vorteile verschafft oder anderen verspricht, die im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit stehen. Kritisch sieht Brettel den Zusatz, dass es nicht nur um die unlautere Bevorzugung im Wettbewerb geht, sondern sich jeder strafbar macht, der „in sonstiger Weise seine Berufsausübungspflichten verletzt“. „Es gibt keinen Filter dazwischen“, kritisiert Brettel. „Jede Berufsrechtsverletzung kann strafrechtlich relevant sein“, so der Strafrechtsprofessor der Phillips-Universität Marburg beim Großhandelstag des Phagro.

An der Verknüpfung von Straf- und Berufsrecht sieht Brettel gleich mehrere Schwachstellen. So vermisst er eine Bagatellgrenze: Während berufsrechtlich auch geringfügige Verstöße geahndet werden könnten, dürfe es strafrechtliche Sanktionen schon wegen der Eingriffsintensität nur jenseits der Bagatellschwelle geben.

Wegen der engen Verbindung zum Berufsrecht könnte es Brettel zufolge zu der skurrilen Situation kommen, dass die Apothekerkammern selbst über die Grenzen der Strafbarkeit entscheiden könnten. Von den Kammern definierte Strafen hätten dann sogar möglicherweise Konsequenzen für Vertragspartner.

In diesem Zusammenhang wies Brettel auch darauf hin, dass das Berufsrecht je nach Bundesland unterschiedlich ausgestaltet ist. Damit sei der Gleichheitsgrundsatz berührt: Was in Nordrhein-Westfalen erlaubt ist, könnte in Bayern strafbar sein. Das Berufsrecht enthalte zudem oft unbestimmte Rechtsbegriffe und vieles sei umstritten – etwa in der aktuellen Skontodebatte. „Das Strafrecht kann sich solche Ungenauigkeiten nicht leisten“, sagt Brettel. Laut Grundgesetz müsse es berechenbar und voraussehbar sein.

All dies würde zu erheblichen Rechtsunsicherheiten führen, ist Brettel überzeugt. Die Folgen sei nicht nur eine Überforderung der Heilberufler, sondern womöglich kontraproduktive Verhaltensänderungen: Apotheker könnten sich aus Angst vor Strafverfolgung etwa auf schlechte Einkaufskonditionen einlassen. Die Folge: „Behindert wird der Wettbewerb, der eigentlich durch strafrechtlichen Schutz gefördert werden soll“, so Brettel.

Verstärkt wird dies dem Juristen zufolge durch eine Besonderheit des Strafrechts. Nach dem Legalitätsprinzip müssen die Behörden bei Vorliegen eines Anfangsverdachts Ermittlungen einleiten. Öffentlich bekannte Ermittlungsmaßnahmen wirkten jedoch – unabhängig vom Ausgang des Verfahren – rufschädigend für den Betroffenen. Brettel sieht die Gefahr einer „Instrumentalisierung des Strafrechts“, etwa indem Kooperationen diskreditiert werden.

Auch der Großhandel könnte nach den bisherigen Plänen aus dem Justizministerium unnötige Probleme bekommen, so Brettel: Der Entwurf sieht in besonders schweren Fällen eine Gefängnisstrafe von bis zu fünf Jahren vor. Diese Strafverschärfung greift etwa bei besonders großen Vorteilen oder „Gewerbsmäßigkeit“. Weil der Großhandel in der Regel „gewerbsmäßig“ handele, würde der „besonders schwere Fall“ hier von der Ausnahme zur Regel gemacht, kritisiert Brettel.

Die Strafrechtsexperten versuchen jetzt im laufenden Gesetzgebungsverfahren noch eine Konkretisierung des Gesetzestextes zu erreichen, um die Strafbarkeit genauer zu definieren. Wie erfolgreich sie mit diesem Anliegen sein werden, wird die parlamentarische Beratung zeigen.

Aus Brettels Sicht ist eine Überarbeitung dringend geboten: „Wäre § 299a ein Medikament, müsste man ihm wegen der gravierenden Nebenwirkungen die Zulassung entziehen“, so das Fazit des Juristen.

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