Jahrelang war es üblich, dass Diabetiker ihre Blutzuckermessgeräte umsonst erhielten – entweder beim Arzt oder in der Apotheke. Denn die Hersteller machen ihr Geschäft mit den passenden Teststreifen. Seit Juni geht das nicht mehr – das Anti-Korruptionsgesetz verbietet die Gratis-Weitergabe der Messgeräte an Heilberufler. Doch die Hersteller kennen offenbar Schleichwege.
Nach dem Anti-Korruptionsgesetz droht Angehörigen von Heilberufen eine Geld- oder Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren, wenn sie sich im Zusammenhang mit der Ausübung ihres Berufes bestechen lassen. Das Gesetz ist seit Anfang Juni scharf gestellt. In diesem Zusammenhang kam die Frage auf, ob sich Apotheker und Ärzte gegen den neuen § 299a des Strafgesetzbuches (StGB) strafbar machen, wenn sie sich die Geräte vom Hersteller schenken lassen.
Nach dem Willen des Gesetzgebers soll eine Strafbarkeit zwar entfallen, wenn der Heilberufsangehörige Rabatte und sonstige Vorteile zugunsten des Patienten oder der Krankenkasse annimmt und weiterreicht. Ein misstrauischer Staatsanwalt könnte aus der Konstellation aber trotzdem einen Anfangsverdacht ableiten. Strafrechtlich entscheidend ist immer, ob es eine Unrechtsvereinbarung gibt. Strafbar macht sich, wer eine Gegenleistung dafür erhält, dass er einen bestimmten Hersteller bevorzugt.
Die Hersteller der Blutzuckermessgeräte haben reagiert und die kostenlose Weitergabe über die Heilberufler vorerst eingestellt. Das heißt aber in der Praxis nicht, dass Diabetiker nun große Summen bezahlen müssen. Ascensia etwa bietet sein Messgerät Contour Apotheken aktuell zu Spottpreisen an – und kann davon ausgehen, dass diese auch günstig weitergegeben werden.
In der Apotheken-EDV ist das ehemalige Bayer-Gerät Contour XT mit einem Einkaufspreis von 25,82 Euro gelistet. Laut einem aktuellen Angebot verlangt der Hersteller für das Set jetzt nur noch 1,99 Euro. Für das Schwesterprodukt Contour Next werden 3,99 Euro pro Set fällig. Das Sonderangebot gilt bis zum Jahresende. Auf dem Angebot ist sogar noch das Bayer-Logo, obwohl Contour seit Jahresbeginn zu Ascensia gehört.
Andere Hersteller haben es sich offenbar noch leichter gemacht und „Mustergeräte“ bei Ärzten und Apothekern gelassen. Vor Scharfschaltung der neuen Regelung wurden noch einmal Gratisprodukte in größerem Umfang ausgeliefert.
Ob das Anti-Korruptionsgesetz in diesem Fall überhaupt berührt ist, muss sich noch zeigen. Oberstaatsanwalt Alexander Badle von der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main glaubt nicht, dass Ermittlungen im Bereich des Anti-Korruptionsgesetzes zu einem Massenphänomen werden. „Wir wissen, dass wir mit dem Strafrecht ein scharfes Schwert in der Hand haben. Wir wissen aber auch, dass wir es nur dann zur Anwendung bringen, wenn eine strafrechtlich relevante Handlung erkennbar ist“, sagte er unlängst bei einer Tagung der Bundesärztekammer (BÄK).
Die Blutzuckermessgeräte dürften nicht das größte Problem darstellen: Die Ärzte sind bei der Verordnung von Teststreifen für insulinpflichtige Diabetiker ohnehin an das Wirtschaftlichkeitsgebot gebunden und können nicht einfach die teuren Teststreifen eines bestimmten Anbieters verordnen, nur weil sie zu diesem eine besondere Beziehung pflegen. Apotheken, die ganz auf Nummer sicher gehen wollen, können ihre Kunden direkt an den Hersteller verweisen. Diese können ihre Geräte dann direkt ausliefern.
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