Die Angst geht um in Sachsens Apotheken. Wird er im Notdienst wieder anrufen? Er ist ein Unbekannter, der seit Monaten nachts die Nummer der diensthabenden Apotheken wählt, die Menschen obszön beschimpft und bedroht. Die Landesapothekerkammer (SLAK) hat sich bereits eingeschaltet.
Ein Apotheker, der anonym bleiben möchte, erzählt: „Es fing vor einigen Monaten an, der Unbekannte arbeitet immer mit derselben Masche. Er ruft im Notdienst nur dann an, wenn Frauen Dienst haben und fragt zuerst, ob sonst noch jemand da ist.“ Verneint die Apothekerin, ergeht sich der Unbekannte am anderen Ende der Leitung in obszönsten Beschimpfungen und sexuellen Phantasien.
Der Apotheker, dessen Mitarbeiterin angerufen wurde, erzählt: „Sie war total geschockt. Er hatte gesagt, dass sie nach Dienstschluss auf sie warten würde.“ Die Apotheke hat bislang dutzende Anrufe dieser Art erhalten. Immer nachts, immer im Notdienst. Schnell machte die Geschichte des Telefonterrors in sächsischen Apotheken die Runde.
Die Meldungen bei der Kammer häuften sich in den vergangenen Monaten. Mittlerweile sollen rund 30 Apotheken in den Dienstbereitschaftskreisen Riesa, Oschatz, Grimma, Leipzig und Dresden betroffen sein. Die Rechtsexperten verschickten daraufhin eine Mail, in der Verhaltenstipps aufgelistet sind. Die Apothekerkammer rät, sämtliche anonymen Anrufe unverzüglich bei der Polizei anzuzeigen. „Die Polizei ist auf eine möglichst zeitnahe Meldung der Vorkommnisse angewiesen, da eine rückwirkende Ermittlung von Rufnummern durch richterlichen Beschluss nur in einem sehr begrenzten Zeitfenster möglich ist.“ Zudem wird geraten, die Anrufe genau zu dokumentieren und, falls möglich, aufzuzeichnen. Das geht zum Beispiel über die Diktier- und Aufnahmefunktion des Mobiltelefons. Auch eine Fangschaltung ist ein probates Mittel.
Die Kammer schreibt ihren Apothekern: „Für eine polizeiliche Anzeige könnten je nach Sachverhalt folgende Straftatbestände relevant sein: §145 Abs. 1 Nr. 1 Strafgesetzbuch, das ist der Missbrauch von Notrufnummern.“ Des weiteren kommt §238 Abs. 1 Nr. 2 (Nachstellung) in Betracht, das ist der sogenannte „Stalking-Paragraph“. Je nachdem, wie sich der Unbekannte am Telefon äußert, kann man auch Anzeige wegen Nötigung, Beleidigung und die Ordnungswidrigkeit „Belästigung der Allgemeinheit“ erstatten.
Anja Schulze vom Justiziariat der Landesapothekerkammer sagt: „Erste Mitteilungen lagen uns vereinzelt seit Dezember 2017 vor.“ Seit Ende Mai hat die Zahl der Anrufe rasant zugenommen. Unter den Apothekern wird deshalb auch diskutiert, ob man in einer solchen Ausnahmesituation einfach den Telefonstecker ziehen darf. Schulze sagt: „Diese Frage kann nicht pauschal beantwortet werden, sondern hängt vom Einzelfall ab und bedarf einer kritischen Abwägung der Notwendigkeit durch den notdiensthabenden Apotheker.“ Im Ernstfall drohen Patientenbeschwerden, wenn eine Apotheke im Nacht- und Notdienst nicht erreichbar ist. „Inwiefern eine solche Beschwerde zu berufsrechtlichen Sanktionen führt, wird unter Berücksichtigung der Umstände und des Einzelfalls im Vorstand auf Vorschlag des zuständigen Fachausschusses entschieden“, so die Rechtsexpertin.
Bislang sind keine Vermutungen über den Täter bekannt. Bereits im Sommer 2016 gab es eine ähnliche Belästigungswelle. Parallelen zu dem Fall sind keine erkennbar. Damals wurde der Täter, der sich als Herr Schmölzer ausgab, gefasst.
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