Angestellte Apothekerin verliert Approbation Alexander Müller, 17.03.2022 14:27 Uhr
Jahrelang hatte eine angestellte Apothekerin gefälschte Privatrezepte in der Apotheke bedruckt und dann bei der Versicherung eingereicht. Nach einer strafrechtlichen Verurteilung entzog ihr die Aufsichtsbehörde die Approbation. Dagegen klagte die Pharmazeutin vor dem Verwaltungsgericht Ansbach. Doch die Richter wiesen ihre Klage ab und zeigten sich recht befremdet von der Verteidigung der Apothekerin.
Auf eine Anzeige ihre früheren Chefs folgten umfangreiche strafrechtliche Ermittlungen, die im Oktober 2019 zur Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 3 Monaten auf Bewährung durch das Amtsgericht Nürnberg führten. Der Apothekerin wurde Betrug in 17 Fällen zur Last gelegt. Mindestens seit 2014 bis zu ihrer fristlosen Kündigung im Sommer 2018 hatte sie Medikamente in das Kasseneingangssystem eingegeben, Privatrezepte bedruckt und den Verkaufsvorgang dann abgebrochen.
Die Rezepte hatte sie aus der Praxis ihres Ehemannes, eines niedergelassenen Orthopäden. Sie wurden dann bei der Versicherung zur Kostenerstattung eingereicht, bei der das Ehepaar sowie deren Töchter privatversichert sind. Dabei entstand ein Gesamtschaden in Höhe von 43.505 Euro.
Angst um Ehemann
Die Apothekerin hatte die Tat gestanden, zu ihrer Verteidigung aber auf ihre Lebensumstände verwiesen. So habe ihr Ehemann im Jahr 2011 einen Burnout und 2012 einen Rückfall erlitten, mit der Diagnose „rezidivierende depressive Episode“. Seit dieser Zeit leide sie unter der panischen Angst, dass es bei ihrem Mann zu einem weiteren Rückfall kommen könnte. Daher habe sie sich hinreißen lassen, bereits von ihrem Mann unterschriebene Privatrezepte aus der Praxis zu entwenden und teilweise auch selbst handschriftlich Medikamente zu verordnen.
Sie habe sich damals in die Ausrede geflüchtet, dass es sich bei der Versicherung um einen anonymen Großkonzern handle. Außerdem sei ihre persönliche Hemmschwelle gesenkt gewesen, weil sie seit 1993 praktisch tagtäglich erlebe, dass Kunden sich in der Apotheke Rezepte nachquittieren ließen. Sie bedauere und bereue ihr Verhalten inzwischen zutiefst. Die Schadenssumme habe sie beglichen.
Die Bayerische Landesapothekerkammer (BLAK) hatte im Juli 2020 nur eine Rüge wegen Betrugs ausgesprochen, von der Einleitung eines berufsgerichtlichen Verfahrens aber abgesehen, weil die Apothekerin den Vorwurf umfassend eingeräumt und versichert habe, in Zukunft dem ihr entgegengebrachten Vertrauen zu entsprechen.
Doch in der Folge erhielt die Aufsicht Kenntnis von der Sache und kündigte drei Monate später den beabsichtigen Approbationswiderruf wegen berufsrechtlicher Unwürdigkeit und Unzuverlässigkeit an. Nach dem Stellungnahmeverfahren wurde die Approbation im Dezember widerrufen und ein Zwangsgeld in Höhe von 4000 Euro verhängt.
Betrug mit Privatrezepten
Die betrügerischen Falschabrechnungen in großem Umfang sei eine gravierende berufliche Verfehlung. Diese sei auch geeignet, das Vertrauen in den Apotheker und seinem Ansehen in der Öffentlichkeit zu schaden. Denn diese erwarte die „Untadeligkeit“ in allen berufsbezogenen Bereichen, wozu auch eine korrekte Abrechnung gehöre. Dazu komme der Berufsbezug, der planmäßige Betrug über eine lange Dauer. Das Geld habe die Apothekerin zudem erst zurückgezahlt, als die Vorwürfe gegen sie schon bekannt waren.
Die Apothekerin klagte. Sie findet nicht, dass die Leute von Apothekern erwarten, in finanzieller Hinsicht frei von Fehlern zu sein. Die Vertrauenserwartung gegenüber einem Apotheker sei regelmäßig als gering. Und überhaupt seien nur etwa 11 Prozent privat versichert, der Zusammenhang mit dem System der Gesundheitsvorsorge insgesamt bestehe also nicht.
Die Apothekerin führte zudem noch ihre große Angst vor einer erneuten Erkrankung ihres Mannes ins Feld, außerdem habe sie sich entschuldigt und zurückgezahlt. So richtig außergewöhnlich erschien ihr eigenes Handeln ebenfalls nicht: Tagtäglich würden in Apotheken Rezepte nachgestempelt oder nachquittiert; auch würden Rezepte erst hinterher eingereicht und die Medikamente vorher rausgegeben. Hieran habe sie sich nie beteiligt.
Doch das Verwaltungsgericht Ansbach wies die Klage ab: „Die Voraussetzungen für einen Approbationsentzug wegen Unzuverlässigkeit und wegen Unwürdigkeit liegen vor“, heißt es im Urteil. Und auch die Zukunftsprognose der Richter waren eher düster: Ihre gezeigte Bedenkenlosigkeit könne in anderen Bereiche ebenso zu Tage treten – etwa bei der unzulässigen Abgabe von Arzneimitteln.
Unwürdig als Apothekerin
Der Berufsbezug war aus Sicht der Richter ebenfalls eindeutig gegeben. Nur aufgrund ihrer apothekerischen Tätigkeit habe sie überhaupt an bedruckte Rezepte gelangen können, ohne dass hierfür tatsächlich Arzneimittel bezogen worden seien.
Die Begründungen der Apothekerin fand das Gericht ebenfalls nicht überzeugend. Hätte sie wirklich Angst vor einem erneuten Ausfall des Ehemannes gehabt, hätte sie das Geld aus dem Rezeptbetrug zur Seite gelegt – in diesem Fall wäre ihr aber auch eine sofortige Rückzahlung möglich gewesen. Die Richter gingen deshalb davon aus, dass die Apothekerin das Geld jedenfalls überwiegend zu gänzlich anderen Zwecken genutzt hat.
Das von der Apothekerin angedeutete Verständnis, nicht die Allgemeinheit sei geschädigt worden, sondern nur ein kleiner Teil der Privatversicherten, fand das Gericht „im höchsten Maße befremdlich“. Diese Einlassung soll den Schaden unangemessen relativieren und lasse auch immer noch kein wirkliches Unrechtsbewusstsein erkennen. Zudem habe die Apothekerin noch am Vortag ihrer fristlosen Kündigung eine Rechnung quittiert. Damit könne nicht im Ansatz von einer freiwilligen Aufdeckung ausgegangen werden.
Der Entzug der Approbation sei auch nicht unverhältnismäßig. Ein erstmaliger Verstoß – zumal mit strafrechtlichen Folgen – genüge grundsätzlich für die Annahme der Berufsunwürdigkeit. Es kommt immer auf die Art der Straftat, das Ausmaß der Schuld und den Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit an.