Rund eineinhalb Stunden dauerte die Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsergicht (BverwG) über das Arzneimittelabgabterminal Visavia von Rowa. Dabei ging es vor allem um technische Aspekte bei der Abgabe verschreibungspflichtiger Medikamente und um die Frage der Verantwortung des leitenden Apothekers. Noch am Nachmittag wollen die Leipziger Richter ihre Entscheidung bekannt geben.
Besonders viel Diskussionsbedarf gab es um die Unterschrift des Apothekers auf dem Rezept. Der Vorsitzende Richter gab zu Bedenken, dass die Arzneimittelabgabe nicht zeitgleich mit der Dokumentation erfolge. Bei der späteren Übertragung der digital gespeicherten Daten entstünden zusätzliche Fehlerquellen, so das Argument. Das gelte insbesondere bei der nachträglichen Vermerkung auf dem Rezept im Falle eines ausgetauschten Arzneimittels. Auch die Frage der Haftung wurde erörtert.
Die Richter interessierten sich außerdem für das von Rowa betriebene Servicecenter, von dem aus die Visavia-Terminals außerhalb der Öffnungszeiten und der gesetzlichen Notdienste gesteuert werden. Der Visavia-Anwalt bemerkte, dass einzelne Abgabevorgänge nicht die Leitung der Apotheke beträfen und dass aufgrund der geringen wirtschaftlichen Bedeutung nicht von einem Eingriff in die Leitungsfunktion gesprochen werden könne. Zudem stünden die Apotheker in Kontakt mit ihren Kollegen im Servicecenter und könnten sich sogar aussuchen, wer ihre Apotheke betreut.
Die Richter hinterfragten, ob ein niedergelassener Apotheker wirklich noch die Leitung in einem Callcenter habe, in dem ein angestellter Apotheker zahlreiche Visavia gleichzeitig betreue. Schließlich sei Rationalisierung immer Zweck eines solchen Systems. Dem Einwand, das Call Center könnte aus Kostengründen sogar ins Ausland verlagert werden, hielt die Rowa-Seite entsprechende Regelungen im Servicevertrag entgegen.
Der Berichtserstatter des Bundes beim BverwG sieht mit Visavia Grundsatzfragen des Apothekenrechts berührt: Ausgehend vom Bild des Apothekers in seiner Apotheke könnte die Arzneimittelabgabe über Automaten aus seiner Sicht eine „Kettenreaktion“ auslösen. Zu den offenen Rechtsfragen zählten Regeln für die Ausstattung der Terminals, eine Kontrolle oder das Qualitätsmanagement, aber auch Speicherfristen für die erhobenen Daten sowie Vertretungsregeln.
Klar war für die Richter, dass es sich bei Visavia nicht um einen „Selbstbedienungsautomaten“ handelt, da immer ein Apotheker zugeschaltet wird. Die Verteterin der beklagten Aufsichtsbehörde führte zwar an, dass Artikel aus dem Freiwahlsortiment auch ohne vorherige Beratung bezogen werden könnten. Einer der klagenden Apotheker erwiderte jedoch, dass diese Produkte auch in Drogeriemärkten erhältlich seien.
Derzeit ist in gut zwei Dutzend Apotheken in Deutschland ein Visavia installiert. Die zuständigen Behörden hatten den Betrieb zum Teil verboten oder nur eingeschränkt erlaubt. In der Folge hatten mehrere Visavia-Apotheker gegen die Aufsichtsbehörden geklagt. Die Rechtssprechung ist nicht einheitlich. Zwei Revisionsverfahren des Oberverwaltungsgerichts Koblenz und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg wurden heute in Leipzig verhandelt.
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