BTM-Formretax

Amtsapotheker: BMG soll Retax-Kampagne stoppen Alexander Müller, 09.12.2011 11:06 Uhr

Berlin - 

In dem andauernden Konflikt um massenhaft durchgeführte Retaxationen wegen Formfehlern auf BTM-Rezepten hat sich ein Amtsapotheker aus Nordrhein-Westfalen (NRW) vor die Pharmazeuten gestellt: Dr. Holger Goetzendorff  fordert das Bundesgesundheitsministerium (BMG) auf, dem Treiben einiger Betriebskrankenkassen ein Ende zu bereiten. Er wirft den Kassen vor, sich auf Kosten der Apotheker und der Patienten zu bereichern.

 

Derzeit vergeht kein Tag, an dem Goetzendorff keine Beschwerden von Apothekern erreichen, die von der Novitas BKK, der BKK vor Ort oder der BKK Hoesch wegen Kleinigkeiten retaxiert werden. „In einem Fall sind es 2000 Euro für einen Monat“, berichtet der Amtsapotheker. Auch Patienten hätten sich bereits über das Vorgehen der Kasse bei ihm beschwert, weil sie wegen der Formalitäten länger auf ihre Schmerzmittel warten mussten.

Goetzendorff zufolge gehen die Kassen bei der Kontrolle zu weit: „Den BTM-Verkehr zu überwachen ist unsere Aufgabe, solche Formfehler würden wir niemals beanstanden“, sagt der Amtsapotheker.

Die BKKen hätten dagegen allein in Nordrhein-Westfalen Rezepte für mehr als eine Million Euro retaxiert, moniert Goetzendorff. Jetzt fordert der Amtsapotheker Unterstützung von oben: „Bevor das bisher funktionierende System der Arzneimittelversorgung zusammenbricht, weil einige Kassen mit unlauteren, ja laut Rechtsexperten sogar verfassungswidrigen Mitteln Geld verdienen wollen, ist die Politik gefordert, diesem zunehmend auch aus Patientensicht skandalösem Treiben ein Ende zu bereiten.“

Die Bezirksregierung Düsseldorf, die Apothekerkammern und -verbände in NRW, die Amtsapotheker und die Bundesopiumstelle seien sich einig, dass die Auslegung der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung nicht Sache der Krankenkassen sei. Doch die zuständigen Überwachungsbehörden würden von den Kassen nicht mehr ernst genommen werden, beklagt Goetzendorff. Deshalb sei jetzt ein konsequentes Einschreiten des BMG und des Bundesversicherungsamtes als Aufsichtsbehörde notwendig.

Der Amtsapotheker schildert dem Ministerium auch konkrete Fälle, bei denen auf dem Rezept statt „gemäß“ das Wort „laut“ oder „Anordnung“ statt „Anweisung“ steht. Ob solche Retaxationen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprächen, müssten die Gerichte klären. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass weder dem Patienten noch der Kasse ein Schaden entstanden sei. „Wer allerdings die unverzügliche Belieferung der Patienten mit notwendigen, stark wirksamen Medikamenten verhindert oder zumindest verzögert, tritt den Verbraucherschutz mit Füßen“, so der Amtsapotheker.

Dass sich die Kassen auf die Arzneimittelsicherheit beriefen, wirkt auf Goetzendorff angesichts zumeist schwerkranker Patienten wie Hohn. Weil verunsicherte Apotheker auch bei Bagatellfällen den verordnenden Arzt um Korrektur bitten müssten, könnten besonders am Wochenende Fälle Verzögerung auftreten. „Unerträglich ist in diesem Zusammenhang, dass der BKK Landesverband in NRW dieses Gebaren unterstützt, ja sogar die Ärzte auffordert, fehlerhafte Verschreibungen nicht zu korrigieren. Offensichtlich geht es nicht um die ordnungsgemäße Versorgung von Patienten, sondern darum, für erbrachte Leistungen der Apotheke nicht zahlen zu wollen“, so der Amtsapotheker.