Die Lieferengpässe wollen nicht abreißen. Besonders im pädiatrischen Bereich zeichnet sich in Bezug auf Antibiotika die nächste Katastrophe ab: Expert:innen befürchten auch in der anstehenden Herbst-Winter-Saison massive Lieferschwierigkeiten, was Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) mit ausländischer Ware abfedern will. Ganz anders im tierärztlichen Bereich: „Mehrere Kleintierpraxen bestätigten mir, dass es zwar kurzfristig Lieferengpässe bei Antibiotika gab, diese aber längst nicht mehr relevant beziehungsweise beendet sind. Da frage ich mich, wer ist in Deutschland wichtiger: Katze oder Kind?“, so Dr. Christian Gerninghaus, Inhaber der Sonnen-Apotheke in Schlitz.
Anhand eines einfachen Rechenbeispiels zieht Gerninghaus Bilanz: „100 Tabletten Amoxiclavulan 40/10mg für Hund und Katze kosten etwa 56 Euro“, so der Apotheker. Zum Vergleich: „20 Tabletten Amoxiclav 875/125mg für den Menschen kosten um die 36 Euro. Wenn ich das umrechne, ist 1g Amoxiclavulan für den Menschen der Gesellschaft ca. 2,11 Euro wert. In der Veterinärmedizin kostet die gleiche Menge aber 14 Euro“, so Gerninghaus.
„Ist doch klar, wohin die Hersteller lieber verkaufen, dorthin, wo es mehr Geld gibt. Deshalb bekommen Tierärzte auch problemlos diese Mittel, während wir in den Apotheken das Nachsehen haben“, schlussfolgert der Inhaber. „Ich spreche hier von den Tabletten, bei den Säften sieht es mit den Preisen noch etwas anders aus.“
Besonders prekär: „Auf Nachfrage in einer Veterinärpraxis zur Liefersituation bei Antibiotika war der Tierarzt überrascht und wußte nicht, dass es überhaupt Schwierigkeiten in der Beschaffung wichtiger Arzneimittel gibt“, so der Inhaber. „In einer weiteren Praxis hieß es, man habe kurze Zeit eine angespannte Liefersituation bei Amoxicillinpräparaten gehabt, aber diese sei längst behoben“, so der Apotheker. „Für mich ist der Fall völlig klar. Das Preisgefüge in Deutschland ist dermaßen kaputt, dass nur noch die Geiz-ist-geil-Mentalität zählt“, so Gerninghaus.
Ein Tierarzt aus dem Ruhrgebiet berichtet, dass er Amoxicillin-Substanz „eimerweise“ bestellen könne: „Insgesamt habe ich bei allen gängigen Amoxicillinpräparaten im Moment überhaupt keine Schwierigkeiten zu bestellen. Wir haben fünf Lieferanten und keine Engpässe bei Antibiotika“, so der Tierarzt. Insgesamt könne er auf 164 gelistete amoxicillinhaltige Arzneimittel zugreifen: „Das ist im Prinzip dasselbe, was auch für Menschen verwendet wird. Das Preisgefüge in Deutschland bedingt hier eindeutig die ungleiche Verteilung der Liefersituation.“
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