Seit fünfeinhalb Jahren führt Apotheker Cafr Zor die Steinbock-Apotheke. Im Reigen der Müllerstraßen-Apotheken ist er der nördlichste. Hausnummer 96, die Konkurrenz ist angenehm weit entfernt. „Beim Preisdumping mache ich nicht mit“, sagt Zor. Seine Apotheke beweist: Es geht auch ohne Schnäppchenkrieg.
Der Steinbock ist ein wendiges Tier. Hoch oben in den Bergen ist er ein ausgezeichneter Kletterer, gibt es Ärger mit anderen Tieren, bringt er sich mit zwei bis drei Meter großen Sprüngen flink in Sicherheit. Wo andere Tiere oder gar menschliche Wanderer hilflos in die Tiefe stürzen würden, findet der Steinbock immer noch problemlos Halt. Weil er es kann. Das Hochgebirgswesen ist ein guter Namensgeber für eine Apotheke. Wendig, schnell und trittsicher muss man nämlich auch in der Müllerstraße sein, wenn man überleben möchte.
„Ich mache nicht bei Preiskämpfen mit“, sagt Zor selbstbewusst, „mein Credo ist Service, Service, Service. Wir machen eine anständige Beratung und liefern schnell, unsere Kunden wissen das zu schätzen.“ Die Steinbock-Apotheke gibt es seit 80 Jahren, er hat sie vor fünfeinhalb Jahren übernommen. „Wir haben von Anfang an nicht bei den Rabatten mitgemacht. Und wir haben keine überteuerten Preise.“
Seine Lage am nördlichen Ende der Müllerstraße erleichtert ihm seine konsequente Haltung. „Es hängt natürlich auch davon ab, wie dicht man seinen nächsten Apotheken-Nachbarn hat.“ Bei ihm ist der nächste Konkurrent eine U-Bahnstation entfernt. Er kann also durchatmen und sein Ding machen.
„Stammkunden sind das A und O“, erklärt Zor. Er hat sich eine treue Kunden-Gemeinde aufgebaut, ohne die er in dieser speziellen Lage nicht überleben könnte. „Das ist hier eine umsatzarme Gegend, weil es wenig Laufkundschaft und wenige Geschäfte gibt.“
Dafür viele Spielcasinos, ihre Zahl erhöht sich permanent: „Gegenüber befand sich lange Jahre ein großes Sportfachgeschäft. Das hat gerade geschlossen.“ Der neue Mieter ist: ein Spielcasino, das sechste in unmittelbarer Nachbarschaft der Steinbock-Apotheke. Stammkunden sind aus dessen Klientel eher nicht zu erwarten.
Mit Kundenkarten bindet er seine Stammkunden, unter denen viele ältere Menschen sind. Viele Rentner leben hier, von denen wiederum viele früher bei der BVG (Berliner Verkehrsbetriebe) gearbeitet haben – ein großer Omnibusbetriebshof befindet sich hier. Das sind treue und zuverlässige Kunden, die Rabattschlachten eher nicht goutieren. Sie finden Beratung und Lieferservice toll, aber auch viele Jüngere, die nach Wedding ziehen, wissen Zors Philosophie zu schätzen.
APOTHEKE ADHOC Debatte