AfD: Die Zeit der Apotheken ist gekommen Patrick Hollstein, 17.05.2018 15:34 Uhr
Kommt ein Rx-Versandverbot oder nicht? Die Große Koalition schwimmt, Apotheken und Versender wollen endlich wissen, woran sie sind. Beim Kongress des Bundesverbands Deutscher Versandapotheken (BVDVA) sollte die Politik Farbe bekennen. Das Fazit ist nicht neu: Die Opposition will es gar nicht, die GroKo hofft auf eine bessere Idee. Und die AfD hat die Einzelapotheke offenbar komplett abgeschrieben.
Der AfD-Gesundheitsexperte Professor Dr. Axel Gehrke macht sich keine Illusionen: Wenn der Versandhandel weiter an Bedeutung gewinnt, wird die Solitärapotheke, die derzeit den Schwerpunkt bei der Versorgung hat, massiv gefährdet. Er rechnete vor, dass schon ein Marktanteil von 25 Prozent Tausende von Apotheken dahinraffen würde.
Nur: Wäre das schlimm? Laut Gehrke stellt sich die Frage, wie sich das Apotheken- und auch das Ärztewesen auf dem Land entwickeln wird. Langfristig, davon ist Gehrke überzeugt, wird es den Apotheken ähnlich gehen wie den Tante-Emma-Läden: „Neue Strukturen werden sich einfach durchsetzen, es gibt nichts, was Veränderungen aufhält, wenn die Zeit gekommen ist.“ Gehrke ist sich sicher, dass es für den einzelnen Landarzt in seiner Praxis und die kleine Apotheke schwierig wird. Sie werden durch neue Versorgungsformen abgelöst.
Und der Versandhandel? Gehrke kann sich vorstellen, dass man erst einmal ein befristetes Verbot einführt. Dann aber sollte man marktwirtschaftliche Lösungen einführen. „Die Frage ist: Kann man nicht die Preisbindung aufgeben und den Bereich rein marktwirtschaftlich organisieren?“
FDP-Gesundheitspolitikerin Christine Aschenberg-Dugnus platzte beinahe, als sie Gehrkes Vorschlag eines Moratoriums hörte: Das Rx-Versandverbot sei alleine eine Idee der ABDA gewesen, die die Parteien angesprochen haben nach dem Motto: „Wenn ihr das macht, dann wählen wir euch.“ Aschenberg-Dugnus: „Da ging es nicht um Versorgung, sondern um die Durchsetzung von Interessen.“
Sie traue den Menschen zu, dass sie selbst entscheiden können, wo sie ihre Medikamente einkaufen, deswegen wolle sie gar kein Rx-Versandverbot durchsetzen. Klar sei aber, dass man etwas gegen die Ungleichbehandlung tun müsse. Mittlerweile seien anderthalb Jahre verflossen, sie befürchte, dass in der GroKo weiter Zeit verloren gehe. „Da hätte schon längst was passieren müssen, aber kein Verbot! Die inländische Apotheke muss auch Boni geben können, wir müssen an die Arzneimittelpreisverordnung ran und nach vorne gucken: Wie soll die Versorgung in ein paar Jahren aussehen? Dazu gehören für mich auch E-Rezepte.“
Kordula Schulz-Asche (Grüne) ist nach eigenem Bekunden ebenfalls „sprachlos“, dass noch immer keine Lösung gefunden worden sei, obwohl immer wieder beteuert werde, dass es ganz schnell gehen müsse. Ihre Partei habe bereits kurz nach dem EuGH-Urteil zu einer Veranstaltung eingeladen, um über Alternativen zu diskutieren. „Der Versandhandel ist ein eingeführter Wirtschaftszweig, den kann man nicht einfach so wegwischen.“
Das Gerede über ein temporäres Verbot sei Unfug, weil es verfassungsrechtlich nicht möglich sei. Es sei unverantwortlich von der ABDA, sich Gesprächen über Alternativen zu verweigern. „Wir brauchen einen Ansatz, um von jener Hälfte der Offizinapotheken am Rande der wirtschaftlichen Existenz diejenigen retten zu können, die für die Versorgung relevant sind.“
Der Zusammenbruch von Versorgung in bestimmten Regionen betreffe alle Bereich, bei den Ärzten falle er als Erstes auf, doch auch die Apotheken seien betroffen. „Wir müssen alles zusammendenken, auch Versandapotheken haben einen festen Platz, deswegen wollen wir sie nicht verbieten.“
Dr. Georg Kippels von der CDU hätte sich nach eigenem Bekunden ein Rx-Versandverbot gewünscht, aber bekanntlich hat es unter Hermann Gröhe nicht mehr geklappt. Trotz der „sehr eindeutigen“ Ankündigung im Koalitionsvertrag müsse man die Realitäten zur Kenntnis nehmen. Denken mache nicht dümmer, ob es am Ende der Wahlperiode ein Rx-Versandverbot gebe, wisse er nicht.
Es berge aber eine Reihe von Schwierigkeiten, und man brauche keine Lösung nur um der Lösung Willen. „Wir wollen keine Steine statt Brot und die Apotheken nicht erneut der Unkalkulierbarkeit des EuGH aussetzen.“ Parameter wie Versorgungssicherheit und Flächendeckung im ländlichen Raum müssten in den Fokus genommen werden: „Ich wünsche mir wettbewerbsgerechte Angebote von deutschen [Versand-]Apotheken auf digitalem Level.“ Darüber müsse man aktiv und zügig nachdenken, und dabei das Ziel im Auge behalten.
Dr. Edgar Franke machte aus seiner Meinung kein Geheimnis: „Ich habe immer gesagt: Das Rx-Versandverbot ist ein Rezept von gestern.“ Bis zum Schluss sei in den Koalitionsverhandlungen darüber gesprochen worden. Als SPD sei man koalitionstreu, versicherte er. Er sei aber gespannt, ob dem Minister ein Entwurf gelinge, der den Ansprüchen genüge.
Ohnehin sei man jetzt „in einem anderen Stadium“. Die Zeit des „ideologischen Geklingels“ sollte vorüber sein: „Wir sollten uns politisch zusammensetzen und darüber nachdenken, wie sich eine rechtssichere und pragmatische Lösung finden lässt.“ Es gehe um einen Kompromiss zwischen den Interessen der Apotheken und Versandapotheken. Laut Franke wäre es ein falscher Weg, eine Regelung zu treffen, die verfassungs- oder europarechtlich keine Chance hat.
Hinter dem Rx-Versandverbot stehe doch eigentlich die Frage, wie man Versorgungssicherheit gerade auf dem Land und in strukturschwächeren Gebieten stärken kann. „Lassen Sie uns über einen Strukturfonds, ein Umlagesystem oder ein Honorar für den Medikationsplan sprechen.“
Das Argument, dass in anderen Ländern der Rx-Versandhandel verboten sei, gelte nicht: „Wir haben 13 Jahre lang damit gearbeitet, das ist eine ganz andere rechtliche Situation. Man könne das Vertrauen und die Investitionen nicht von heute auf morgen entziehen. „Da braucht es absolute Gründe, dass der Markt nicht funktioniert, und das ist eindeutig nicht der Fall. Wir müssen handeln, Ausland und Inland in irgendeiner Form zusammenbringen und am besten über das Sozialgesetzbuch eine Regelung finden.“