Ärztehaus bedroht Existenz von Apothekerin Silvia Meixner, 22.07.2018 11:59 Uhr
Im idyllischen Isselburg-Anholt im schönen Münsterland ist ein Streit um ein geplantes Ärztehaus entbrannt. Die Krankenhausträgergesellschaft Alexianer Misericordia in Münster investiert 4,5 Millionen Euro in den Neubau und vergab die Apotheke an die Isselburger Glocken-Apotheke. Die Betreiberin der Anholter Apotheke am Markt fürchtet jetzt um ihre Existenz.
Denn ob die rund 11.000 Einwohner drei Apotheken brauchen, darf bezweifelt werden. Apothekerin Kathrin Sluyter, Betreiberin der Markt-Apotheke, sagt: „Ich habe davon erfahren, als es schon beschlossen war. Man hat uns übergangen, mit uns ist nicht gesprochen worden. Wir wissen erst seit fünf Wochen von den Plänen. Ich gehe davon aus, dass es mit drei Apotheken vor Ort zu viele Apotheken geben wird.“ Genauer gesagt: eine zu viel.
Ihr Team und sie müssten das „erst mal in Ruhe sacken lassen“. Sie hat ihre Apotheke vor drei Jahren von ihrer Mutter übernommen, die sie 1986 gegründet hatte. Seitdem sie von den Plänen der Krankenhausträgerin und dem Zuschlag der geplanten Apotheke an den Konkurrenten erfahren hat, plagen sie große Sorgen: „Ich fühle mich in meiner Existenz bedroht“, sagt Sluyter. Die Rezepte, die sie von Kunden einer nahe gelegenen Gemeinschaftspraxis erhält, würden wegfallen, da diese Praxis plant, in das neue Ärztehaus zu ziehen.
Den Zuschlag bekam ohne öffentliche Ausschreibung der Apotheker Daniel Schmidt, dem die Glocken-Apotheke gehört. Er sagt: „Wir wurden angesprochen, ob wir die geplante Apotheke als Filiale betreiben möchten. Wir arbeiten seit vielen Jahren gut mit dem Krankenhaus zusammen. Ich muss noch mindestens 30 Jahre arbeiten und möchte meinen Standort sichern. Derzeit gib es nur zwei sehr alte Hausärzte, man weiß nicht, wie es weitergeht.“ Das Ärztehaus hält er für ein „absolut zukunftsweisendes Projekt, dass die ärztliche Versorgung sicher stellt.“
„Wie sind ein normal zugelassenes Krankenhaus, wir müssen die Apotheke nicht ausschreiben“, sagt Verwaltungsdirektor Sebastian Lasczok gegenüber APOTHEKE ADHOC. Zur Alexianer Misericordia GmbH gehören das Augustahospital Anholt, das Clemenshospital Münster und die Raphaelsklinik Münster. „Wir laden interessierte Parteien ein, um die Gesundheitsstruktur aufrecht zu erhalten. Wir bauen das Gebäude und sind Vermieter.“
Ein weiteres Argument spricht aus seiner Sicht für Apotheker Schmidt: „Wir suchen einen Zytostatika-Apotheker, deshalb haben wir ihn ausgewählt. Er versorgt bereits das Krankenhaus.“ Das Argument, dass der pharmazeutische Kuchen nicht für drei Apotheken reiche, teilt er nicht. „Ich bin kein Experte für Apotheken, aber man rechnet eine Apotheke für 3300 Bürger. Es ist ein freier Markt und Konkurrenzkampf ist normal.“
Anders sieht es die Lokalpresse. Das Bocholter Borkener Volksblatt fragte kürzlich: „Scheitert Anholter Ärztehaus an Apotheke?“ Das Volksblatt schrieb: „Die Planungen für ein Gesundheitszentrum am Augusta-Hospital laufen auf politischer Ebene nicht so reibungslos, wie es sich die Krankenhausträgerin Alexianer Misericordia erhofft hat. Der Knackpunkt für Flächennutzungs- und Bauleitplanung ist für CDU und Grüne die geplante Filiale der Isselburger Glocken-Apotheke. Sie gefährde vielleicht die Existenz der Anholter Apotheke am Markt.“
Verwaltungsdirektor Lasczok teilt diese Sorge nicht. Mit dem neuen Ärztehaus wolle man schließlich „der Stadt etwas Gutes tun“. Grundsätzlich halten viele das Ärztehaus für ein gutes Projekt. Wenn nur das Problem mit den Apotheken nicht wäre. Langfristig soll das Ärztehaus die Versorgung der Menschen auf hohem Niveau garantieren. „Es gibt hier sechs bis sieben Ärzte, die alle über 60 Jahre alt sind. Nur eine Ärztin ist unter 60. Wenn nichts passiert, gibt es hier in fünf Jahren keinen niedergelassenen Arzt mehr“, sagt Lasczok.
Angesichts des Fachärztemangels ist ein besonderes Konzept geplant: „Im ersten Stock des Hauses sollen Fachärzte tageweise arbeiten“, erklärt Lasczok. Ein bis zweimal in der Woche könnten sie im Idealfall im neuen Ärztehaus arbeiten. Die Hoffnung, dass neue Fachärzte eine Praxis vor Ort eröffnen könnten, hat man längst begraben. „Wir müssen den Fachärzten die nötige moderne Infrastruktur stellen, ihnen das Leben so bequem wie möglich machen“, erklärt der Verwaltungsdirektor.
Baubeginn für das Ärztezentrum mit rund 400 Quadratmetern Fläche soll Ende 2019 sein. „Die Eröffung ist für Mitte 2020 geplant“, sagt der Verwaltungsdirektor. Bis dahin scheint das Überleben der bedrohten Markt-Apotheke sicher. Danach endet die Galgenfrist.