KBV-Stellungnahme

Ärzte: Kein Impfen, kein Dauerrezept, keine 20 Cent

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Berlin -

Die Kassenärzte lehnen große Teile des von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vorgelegten Apothekenstärkungsgesetzes ab. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) begrüßt zwar grundsätzlich das Ziel der Stärkung der Arzneimittelversorgung durch Präsenzapotheken. Aus Ärztesicht sind die in diesem Zusammenhang vorgesehenen Maßnahmen „wie die Einführung zusätzlich honorierter pharmazeutischer Dienstleistungen wie Medikationsanalyse und Medikationsmanagement sowie die Erfassung definierter Gesundheitsparameter hierfür allerdings nicht geeignet“. Zu den rechtlichen Fragen der Gleichpreisigkeit äußert sich die KBV nicht.

Mit dem vorliegenden Referentenentwurf werde gleichzeitig die Finanzierung einer Doppelstruktur etabliert, deren Nutzen für die Qualität der Arzneimitteltherapie der Versicherten nicht gegeben sei. Darüber hinaus lehnt die KBV auch die vorgesehene Finanzierungsregelung über einen Festzuschlag von 20 Cent je abgegebener Packung eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels ab. Die KBV lehnt außerdem die vorgesehene Einführung von Modellvorhaben zur Durchführung von Grippeschutzimpfungen durch Apotheker ab. In diesem Zusammenhang legt die KBV einen alternativen Gesetzgebungsvorschlag zur Verbesserung der Impfquoten und zur Vermeidung von Lieferengpässen vor.

Abgelehnt wird von den Ärzten auch die Ausstellung von Wiederholungsrezepten aus Gründen der Patienten- und Arzneimitteltherapiesicherheit. Gerade die Versorgung von Versicherten mit schwerwiegenden chronischen Erkrankungen müsse regelmäßig überwacht und gegebenenfalls angepasst werden. Bereits ausgestellte „Wiederholungsverordnungen“ können dazu führen, dass Versicherte die Risiken falsch einschätzten, ihren Arzt nicht erneut aufsuchten und damit nicht mehr adäquate, gegebenfalls sogar die Sicherheit gefährdende Arzneimitteltherapien fortführten. Auch könne der Vertragsarzt zum Zeitpunkt der Ausstellung einer „Wiederholungsverordnung“ nicht wissen, ob ein Leistungsanspruch über die gesamte Laufzeit der „Wiederholungsverordnung“ tatsächlich besteht oder ob der Versicherte in diesem Zeitraum beispielsweise einen längeren, gegebenfalls monatelangen Auslandsaufenthalt plane. Durch diese „Wiederholungsverordungen“ dürfe in keinem Fall ein für den Arzt nicht vorhersehbares, nicht vertretbares Regressrisiko entstehen.

Abgelehnt wird von der KBV auch die Einführung honorierter zusätzlicher pharmazeutischer Leistungen. Zwar könne eine Einbindung der Apotheker in Medikationsanalyse und Medikationsmanagement im Rahmen von zwischen Ärzten und Apotheker abgestimmten strukturierten Betreuungs- und Kommunikationsprozessen mit einer klaren Aufgabenteilung sinnvoll sein – wie dies beispielsweise im Modellvorhaben ARMIN in Sachsen und Thüringen der Fall ist. Die Neuregelung im vorliegenden Referentenentwurf sieht eine im Vorfeld abgestimmte Zusammenarbeit und Aufgabenteilung jedoch nicht vor. Die Mehrzahl der Aufgaben im Rahmen der Medikationsanalyse und des Medikationsmanagements setzten ärztliche Expertise sowie ärztliche Kenntnisse voraus, über die der Apotheker nicht verfüge. „Dem Apotheker liegen keine oder nur rudimentäre Informationen zu den Vor- und Begleiterkrankungen des Versicherten vor. Auch hat er keine Kenntnis über klinische oder laborchemische Befunde, die der jeweiligen Indikationsstellung und Auswahl des Wirkstoffs bzw. der Wirkstoffe zugrunde liegen“, so die KBV.

Auch die Erhebung von Gesundheitsparametern durch Apotheker wie Blutdruck, Blutzucker oder Cholesterin sei ungeeignet, die Patientenversorgung oder gar die Arzneimitteltherapiesicherheit zu verbessern. Die Einführung einer entsprechenden pharmazeutischen Dienstleistung führe lediglich zu einer Doppelerbringung und Doppelhonorierung von Leistungen im Rahmen einer neuen Versorgungsschnittstelle ohne einen relevanten Mehrnutzen und sei damit unwirtschaftlich. Darüber hinaus lehnt die KBV auch die für die pharmazeutischen Dienstleistungen gewählte Finanzierungsregelung mit der Erhebung eines Festzuschlags von 20 Cent je abgegebener Rx-Packung durch die damit verbundene Erhöhung des Regressbetrags ab. Dies stelle eine nicht sachgerechte Verschärfung des Wirtschaftlichkeitsrisikos dar.

Nein sagen die Kassenärzte auch zu den von Spahn vorgeschlagenen Modellvorhaben zur Durchführung von Grippeschutzimpfungen durch Apotheker. Das in Deutschland bestehende hohe Qualitätsniveau von Impfleistungen dürfe nicht durch die angedachten Modellvorhaben abgesenkt werden. Die Durchführung einer Impfung sei nicht ohne Grund eine originär ärztliche Aufgabe. Die Impfung beinhaltet nicht nur die Injektion an sich, sondern umfasst zusätzlich unter anderem die Impfanamnese, die Aufklärung zur Impfung, den Ausschluss von akuten Erkrankungen und Kontraindikationen sowie bei bestehenden Erkrankungen die Bewertung, ob eine Impfung durchgeführt werden kann. Darüber hinaus können bei Impfungen seltene, aber schwerwiegende Komplikationen auftreten.

Eine einmalige theoretische ärztliche Schulung der Apotheker, die im auftretenden Notfall dann gegebenenfalls schon Monate zurückliegt, ist aus Sicht der KBV keinesfalls ausreichend, die im Zusammenhang mit einer Impfung zu bewältigenden komplexen Aufgaben mit hinreichender Qualität durchzuführen. „Die vorgesehene Neuregelung ist nicht dazu geeignet, die Versorgung der Versicherten zu verbessern, vielmehr besteht die Gefahr, dass damit eine Gefährdung des Patientenwohls verbunden ist“, so die Kassenärzte. Darüber hinaus seien die hierdurch erforderlich werdenden Infrastrukturmaßnahmen unwirtschaftlich. So müssten in den Apotheken zusätzliche Räume für eine Impfung bereitgehalten und die Haftpflichtversicherungen der Apotheker zur Absicherung etwaiger Impfschäden erweitert werden. Die KBV kann zwar grundsätzlich nachvollziehen, dass der Gesetzgeber die Impfquoten bei der Impfung gegen Influenza erhöhen möchte. Hierfür sind jedoch andere Maßnahmen als die vorgesehenen Modellvorhaben zielführender.

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