Umstrittenes Bonusmodell

Ärger für Spielberger-Apotheke

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Berlin -

Apotheker Martin Stahn in Spandau wagt sich mit seinem Bonusmodell für die Rezeptvorbestellung weit hinaus – möglicherweise zu weit. Nach Informationen von APOTHEKE ADHOC hat die Apothekerkammer Berlin die Wettbewerbszentrale eingeschaltet, die gegen das Angebot juristisch vorgehen wird. Ob die Kammer selbst ein berufsrechtliches Verfahren anstrebt, steht noch nicht fest.

Auf einem aktuellen Flyer der Spielberger-Apotheke in Berlin-Spandau werden Gutscheine für die Vorbestellung von Arzneimitteln ausgelobt. Dabei wird auch die Fotoübermittlung von Rezepten entsprechend belohnt: „Für Rezept- oder Selbstmedikations-Vorbestellungen ab einem Wert von 25€ erhalten Sie den beliebten 1€-Gutschein.“ Wer seinen Artikel spätestens 24 Stunden nach dem von der Apotheke bestätigten Termin abholt, bekommt einen zusätzlichen Gutschein. Online-Neukunden erhalten sogar fünf Gutscheine.

Die Apotheke war schon zu Zeiten, als sie noch von der Cornelius Spielberger betrieben wurde, für ihr aktives Marketing bekannt. Tatsächlich ging sogar einer der jetzt vom Bundesgerichtshof (BGH) entschiedenen Fälle auf das Bonus-Modell der Spielberger-Apotheke zurück. Die Karlsruher Richter erklärten die Gutscheine in diesem Fall für unzulässig.

Auch die Kammer hatte sich in der Vergangenheit schon mit der Spandauer Apotheke befasst. In dem parallel geführten berufsgerichtlichen Verfahren ist aber laut Geschäftsführer Rainer Auerbach allerdings Erledigung eingetreten, weil die Kammermitgliedschaft im Laufe des Verfahrens entfallen sei: Spielberger hatte die Apotheke an Stahn verkauft und ist auch nicht mehr als Apotheker in Deutschland tätig.

Der Nachfolger stand allerdings auch gleich unter Beobachtung: „Die Kammer hat nach dem ‚Warnschuss‘ an den neuen Inhaber vom 12. September 2017 konsequent jeden ihr bekannt gewordenen Fall von Werbung mit Rx-Boni sowohl berufsrechtlich als auch wettbewerbsrechtlich aufgegriffen“, so Auerbach. Die Verfahren seien noch nicht abgeschlossen. Der aktuelle Fall sei an die Wettbewerbszentrale übergeben worden. Für die berufsrechtliche Beurteilung sei der Vorstand zuständig, so Auerbach.

Kammerpräsidentin Dr. Kerstin Kemmritz teilte mit, der Vorstand werde bei der nächsten Sitzung darüber sprechen. Manchmal sei es sinnvoll, den Ausgang des zivilrechtlichen Verfahrens abzuwarten, damit keine neuen Einwände zu erwarten sind. Denn wenn Maßnahmen der Kammer – von der Rüge bis zur Geldbuße –beklagt würden, ohne dass es eine weitere zivilrechtliche Verurteilung gibt, koste das viel Zeit, in der auch nichts gewonnen sei. „Natürlich sind solche Rabattgewährungen gerade jetzt, wo der Berufsstand um die Gleichpreisigkeit ringt, noch gefährlicher und unkollegialer als sonst“, so Kemmritz. Bis die juristischen Mühlen erfolgreich gemahlen hätten, dauere es leider immer.

Die Wettbewerbszentrale bestätigt, dass es verschiedene Beschwerden zu den 1€-Gutscheinen gab und dass man die Sache notfalls gerichtlich prüfen werde. Zunächst wird aber selbstverständlich Stahn selbst gehört. Mit anderen Worten: In Spandau dürfte demnächst eine Abmahnung aus Bad Homburg in die Offizin flattern.

Der Apotheker glaubt, dass sein Bonus-Modell zulässig ist. Er hatte sich dabei wiederum auf auf ein Interview mit Rechtsanwältin Christiane Köber von der Wettbewerbszentrale bezogen. Der Ausgleich von Unannehmlichkeiten sei zulässig – und darunter fällt aus seiner Sicht auch die Vorbestellung von Rx-Arzneimitteln.

Die Gegenseite meint, dass hier ein Vorteil aktiv beworben wird. Damit nicht wieder jahrelang bis vor den BGH gestritten wird, wünscht sich die Wettbewerbszentrale eine schnelle Entscheidung im Wege einer einstweiligen Verfügung.

Bei der Berliner Kammer ist man sich durchaus bewusst, dass die Grenze zwischen Erlaubtem und unzulässigen Zugaben mitunter schwer auszumachen sind. Auerbach fasst die Gefechtslage – ohne Bezug auf den Fall in Spandau – so zusammen: „Verboten sind nach der BGH-Entscheidung Zuwendungen für Rezepte. Das heißt, es muss einen kausalen Zusammenhang zwischen der Zuwendung und dem Einlösen von Rezepten geben. Fehlt dieser kausale Zusammenhang, zum Beispiel weil jeder Kunde unabhängig vom Einlösen eines Rezeptes ein Geschenk erhält, liegt kein Wettbewerbsverstoß vor. Für den werbenden Apotheker hat dies natürlich den Nachteil, dass die Streuverluste größer werden. Denn der Werbeaufwand verpufft teilweise für ertragsschwächere Non-Rx- und das Nebensortiment.“

Auerbach glaubt, dass es deshalb jetzt einen „Wettbewerb der Ideen“ gebe. Apotheker suchten nach Modellen, wie sie die Zuwendungen irgendwie auf die Rx-Arzneimittel zuschneiden könnten und dennoch haarscharf an einem Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht und das Berufsrecht vorbei kämen. „Von daher ist mit weiteren Gerichtsverfahren zu rechnen, in denen ausgelotet wird, ob es sich bei den Konstruktionen um Umgehungstatbestände handelt“, so Auerbach.

Stahn hatte erklärt, dass der Flyer erst vor Kurzem eingeführt worden sei: „Wir wollen nicht zusehen, wie DocMorris uns die Umsätze wegnimmt. Als Apotheken müssen wir etwas dagegen halten.“ Das Bonusmodell hält er auch nach dem jüngsten Urteil des BGH für zulässig: „Wir honorieren ausschließlich den Vorgang des Vorbestellens. Das ist unabhängig davon, ob es ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel oder ein OTC-Präparat ist“, so Stahn. Er sei sich bewusst, dass Rx-Boni verboten seien. „Ich habe kein Interesse, dagegen zu verstoßen. Wir sagen jedem Kunden: ‚Es gibt keinen Gutschein auf Rezept.‘“

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