Die Kassen sind nicht bereit, für das Medizinstudium mitzubezahlen – angehende Ärzt:innen könnten sich doch stattdessen dank ihres bisher erworbenen Wissens bestens in der Gesundheitsbranche einbringen. Statt Kellnern gibt es jetzt eine bessere Lösung: Die Ärzt:innen im Praktikum (ÄiP) sollen einfach in den Apotheken helfen. Hier fehlen Fachkräfte, die die pDL durchführen könnten; das Problem wäre damit auch gleich gelöst. Und der Dank der Kund:innen, Hilfe vom Fachpersonal zu bekommen, ersetzt jedes Trinkgeld.
Es war (noch) nicht der Entwurf für die Apothekenreform, aber für das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG), für den sich Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) direkt diese Woche von „Bild online“ feiern ließ. Darin unter anderem enthalten: Um den ärztlichen Nachwuchs zu fördern, können die Kassen mit in die Pflicht genommen werden. Ab dem Jahr 2026 können sich die Länder in Sachen Medizinstudium aus Mitteln der GKV unterstützen lassen. So sollen über den Gesundheitsfonds zusätzliche Ausbildungskapazitäten in Form von Studienplätzen geschaffen werden.
Doch einen Haken hat die Sache natürlich: Die geförderten Studierenden müssen dann mindestens 10 – in Worten ZEHN – Jahre lang in der vertragsärztlichen Versorgung, einem Krankenhaus oder einer zugelassenen Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung arbeiten. Kein Wunder, dass sich das so mancher Student 2026 gründlich überlegt. Möchte ich mich wirklich auf diese Art verpflichten lassen? Und auch die GKV hat so ihre Zweifel, ob sie bei diesem Thema wirklich in die Pflicht genommen werden will. Angeblich geht es um mehr als 600 Millionen Euro. Wo kämen wir denn da hin, wenn die Kassen für Medizinstudentinnen „mitwirtschaften“? Finanzielle Einbußen verträgt das System schließlich einfach nicht.
Stattdessen kommt den Kassen eine bessere Idee, wie sie die Idee Lauterbachs wieder „auf die richtigen Bahnen“ lenken: Während die Abda die pharmazeutischen Dienstleistungen (pDL) mit einem TV-Spot pushen will, ziehen die Apotheken einfach noch nicht richtig mit. Ein Grund: Das Personal fehlt. Daher der Plan, ab 2026 zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Die angehenden Ärzt:innen werden in die Apotheken geschickt und können sich etwas dazu verdienen.
Die Vorteile liegen auf der Hand: Inhaber:innen und Inhaber haben endlich mehr Fachpersonal zu Verfügung. Die Student:innen bekommen etwas Unterstützung und lagern den pharmazeutischen Inhalt ihres Studiums einfach in die Praxis aus: Das können sie doch am besten in der Apotheke lernen. Und pDL wie Impfen und Blutdruck messen werden endlich von wirklich fachkundigem Personal durchgeführt. Und die werden in den Apotheken immer noch besser bezahlt an so manchem Krankenhaus: Noch im Sommer monierten die Medizinstudierenden, dass es zum Beispiel an der Charité nicht mal eine Aufwandsentschädigung im Praktischen Jahr gibt. Stattdessen winken Essens-Gutscheine.
Da zeigen sich die Apotheken doch deutlich menschenfreundlicher: Das praktische Jahr wird aufgeteilt, schließlich werden die angehenden Ärztinnen in den Kliniken als „billige Arbeitskräfte“ zum Blutabnehmen dringend gebraucht. Zusätzlich wird den Studierenden aber die Möglichkeit gegeben, sich als „Ärzt:innen im Praktikum“ (ÄiP) etwas dazuzuverdienen. Hier bekommen sie immerhin Geld für ihre Leistungen und bieten den Inhaber:innen auch noch Mehrwert. Die künftig bessere Kommunikation zwischen beiden Gruppen fördert dieser Einsatz auch gleich noch. Apotheker:innen glücklich, Medizinstudierende glücklich und am wichtigsten: Kassen glücklich. Für diesen Erfolg lässt sich Lauterbach auch noch nach seiner Amtszeit auf Bild.de feiern.
Doch von wirklich effizienten Lösungen mit glücklichen Gesichtern auf allen Seiten fehlt bisher noch jede Spur. Lauterbach kam mit dem Entwurf zum GVSG der Ärzteschaft zwar etwas entgegen: So wird die Budgetierung im hausärztlichen Bereich gestrichen. Für Regresse gibt es eine Bagatellgrenze von 300 Euro. Zudem werden eine jährliche Versorgungspauschale zur Behandlung chronisch kranker Patientinnen und Patienten eingeführt sowie eine Vorhaltepauschale für die Wahrnehmung des hausärztlichen Versorgungsauftrages.
Doch für den Virchowbund blieben die dringenden Fragen trotzdem unbeantwortet, so der Bundesvorsitzende, Dr. Dirk Heinrich. Er droht mit neuen Protesten, statt sich über das Entgegenkommen zu freuen. Doch wie sagte Lauterbach schon bezogen auf die Apothekenreform:Das Ganze sei zwar nicht im Sinne der Verbände, aber der Patient:innen.
Das Gesetz sieht übrigens auch vor, dass Abrechnungsbetrügern leichter auf die Schliche gekommen werden soll. Dafür wird die Fehlverhaltensbekämpfung weiterentwickelt und gestärkt. Daher werden die Landesverbände der Krankenkassen nunmehr ausnahmslos einbezogen, um insbesondere kleinere Krankenkassen bei dieser Aufgabe zu unterstützen. Hierbei werden wohl auch ein paar Apotheken in den Fokus rücken.
Diese Woche setzte die AOK bereits den Apotheken die Pistole auf die Brust, weil auch sie „das Thema Lieferdefekte beschäftigt“. Fällt der Rabattpartner aus und kann nicht liefern, übernehmen die Kassen die Festbetragsaufzahlung, wenn keine mehrkostenfreien Alternativen lieferbar sind. Weil dies angesichts der anhaltenden Engpässe allmählich teuer wird, zieht die AOK Konsequenzen und informiert darüber, die Nichtverfügbarkeit zu überprüfen. Gleichzeitig liefert die Kasse fragwürdige Hinweise für die Apotheken, wie die Aufzahlung umgangen werden kann.
Und statt auf Medizinstudierende zu setzen, sieht die BKK eher die PTA in der Pflicht. Die könnten dann auch gleich Filialen leiten. Aber lassen Sie sich dadurch nicht die Feiertage verhageln. Lieber entspannt zurücklehnen oder endlich wieder unfallfrei Papierrezepte einlösen! Frohe Ostern!
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