Bekannt geworden ist Michael Grintz durch die Zusammenarbeit mit Amazon und seine Pick-up-Pläne. Doch auch der Apotheker aus München versteht sich nicht nur als Kaufmann, sondern als Heilberufler. In seiner Dissertation widmete er sich der Frage, wie Medikationsanalysen die Adhärenz bei Polymedikation verbessern können. Doch das ist erst der Anfang: Gemeinsam mit Kollegen forscht Grintz bereits an der Anpassung von Medikamenten durch pharmakogenetische Daten.
„Wir machen Medikationsanalysen – wollen Sie das?“ So oder so ähnlich könnte ein Gespräch am HV zum Thema Polymedikation beginnen. Nur: Kaum ein Apothekenkunde kann sich unter dem Begriff wirklich etwas vorstellen. Und: Es fehlt ein alltagstaugliches Handwerkszeug, findet Grintz.
Seit 1996 Apotheker, betreibt Grintz seit 2016 einen Verbund in der bayerischen Landeshauptstadt, der zunächst unter dem Namen Bienen-Apotheken auftrat und mittlerweile als „Apothekerei Dr. Grintz“ firmiert. 2016 begann er mit dem Vertrieb von Arzneimitteln über Plattformen und erweiterte sein Serviceangebot ein Jahr später um „Prime Now“, eine schnelle Lieferoption für Medikamente im Großraum München. In Kooperation mit Amazon war er der erste europäische Partner des Programms „Bopis“ („Buy Online, Pick up in Store“), das es Kunden ermöglicht, Medikamente online zu bestellen und an bestimmten Punkten abzuholen.
Zuletzt verlagerte sich sein Fokus aber auf wissenschaftliche Aspekte. Seine Dissertation befasste sich mit einem absoluten Praxisthema; den Auswirkungen von Medikationsberatungen auf die Adhärenz von Statin-Patienten.
In seiner „Adstapharm-Studie“, einer umfangreichen Untersuchung zur Adhärenz von Statin-Patienten bei pharmazeutischer Betreuung, überprüfte der Apotheker die Wirkung einer Medikationsanalyse auf die Patientenadhärenz. Die Idee, das Themengebiet wissenschaftlich aufzumachen, entstand für den Apotheker aus der heilberuflichen Verantwortung heraus. „Ich konnte gar nicht glauben, dass keines der Softwarehäuser, das uns in der Apotheke bedient, ein System hat, mit dem man Medikationsmanagement tatsächlich durchführen kann.“ Denn: Der Wechselwirkungscheck am HV sei keineswegs mit einer fundierten Medikationsanalyse zu verwechseln.
Ziel seiner Arbeit war deshalb zu untersuchen, ob die Medikationsberatung in der öffentlichen Apotheke die Adhärenz der Patienten steigern kann. Das Forschungsfeld war bis dato in Deutschland eine wissenschaftliche Leerstelle. „Ich habe mich bewusst auf das reduziert, was man in der Apotheke vor Ort unter Alltagsbedingungen ohne Rücksprache mit dem Arzt machen kann.“
In seiner Untersuchung wurden die Auswirkungen einer Arzneimittelprüfung auf die Adhärenz von 122 Patientinnen und Patienten mit Statinen zur Behandlung von Hypercholesterinämie untersucht. 82 Prozent der Patient:innen erhielten eine Polymedikation mit mindestens fünf Medikamenten. Es wurden 205 arzneimittelbezogene Probleme (ABP) identifiziert, was im Durchschnitt 1,68 ABP pro Patient entspricht, vorwiegend Arzneimittelinteraktionen (49,8 Prozent) und Non-Adhärenz (38,5 Prozent). Nach der Bewertung der Medikation reduzierte sich die Anzahl der ABP signifikant um 47 Prozent auf 108.
Das Hauptziel der Studie war, die kurz- und langfristigen Effekte einer einfachen Medikationsprüfung auf die Adhärenz von Statin-Patienten unter Alltagsbedingungen zu untersuchen. Die Adhärenz der Teilnehmenden wurde zu diesem Zweck über die Medication Possession Ratio (MPR) quantifiziert und an vier festgelegten Beobachtungszeitpunkten über einen Zeitraum von fünf Jahren verfolgt. Dafür wurden die Probandinnen und Probanden in drei verschiedene Kategorien eingeteilt. Eine Gruppe wurde mit einer einfachen Medikationsanalyse versorgt, eine weitere erhielt eine persönliche Medikamentenliste, während eine dritte als Kontrollgruppe fungierte.
Im Rahmen dieser praktischen Forschung entstand auch die Idee, die in der Apotheke gewonnenen Erkenntnisse durch eine eigene Softwarelösung weiterzugeben und so die Kommunikation mit Ärzten zu verbessern. „Wir haben für uns eine ganz andere Technik entwickelt“, erklärt Grintz. „Wir werten die vorliegenden Informationen zu den Medikamenten im Backoffice der Apotheken aus, ohne am HV Unruhe zu erzeugen.“ Dieses innovative System ermöglicht es, die Überprüfung effizient durchzuführen, ohne die Apotheke vor Ort unnötig zu belasten. Der Vorteil liegt darin, dass Ärzte so regelmäßig mit Verbesserungsvorschlägen und Dokumenten zur Medikamentenoptimierung versorgt werden, die sie überwiegend annehmen.
Mit Blick auf die Zukunft geht Grintz über seine Dissertation und die Softwareentwicklung hinaus. Während die wissenschaftliche Forschung zu Medikationsanalysen weiterhin ein zentrales Thema bleibt, arbeitet er mit Annika Horn an einer neuen, vielversprechenden Studie: Die sogenannte Stratimed-Studie wird Patienten mit pharmakogenetischen Daten betreuen, um die Medikation individuell an deren genetische Eigenschaften anzupassen.