Bei papiergebundenen Verordnungen über Tilidin, Pregabalin, Genotropin, Ozempic (Semaglutid) und Mounjaro (Tirzepatid) läuten in den Apotheken die Alarmglocken, denn manipulierte Rezepte sind bei diesen Arzneimitteln keine Seltenheit. Dass auch Verordnungen über Lenvima (Lenvatinib, Eisai) gefälscht sind, erlebte eine Apotheke in Berlin das erste Mal. „Uns ist ein Schaden von rund 1500 Euro entstanden. Ich möchte die Kollegen warnen“, so die Inhaberin.
Rezeptfälschungen werden immer professioneller und sind kaum noch vom Original zu unterscheiden. So auch im Fall von Lenvima. Das Arzneimittel kommt bei differenziertem Schilddrüsenkarzinom, hepatozellulärem Karzinom und Endometriumkarzinom zum Einsatz. „Das Rezept ist als Fälschung zu erkennen, uns ist es trotzdem durchgerutscht. Das Lehrgeld muss ich zahlen. Ärgerlich ist aber, dass die Praxis hätte warnen können.“
Was war passiert? Lenvima 10 mg zu 30 Hartkapseln wurde telefonisch vorbestellt. Der Preis: 1551,17 Euro. Eine Frau wollte das Medikament am Abend abholen. Das Rezept holte sie aber erst aus dem Auto, als sie sich vergewissert hatte, dass das Arzneimittel auch wirklich in der Apotheke bereitliegt. „Irgendwie erinnerte es an einen Wechseltrick. Die Frau sprach kaum Deutsch. Mein Team spricht verschiedene Sprachen, aber mit ihr war keine Verständigung möglich. Das erzeugte Stress auf beiden Seiten und dann ist die Fälschung durchgerutscht“, erinnert sich die Apothekerin.
Aufgefallen ist die Manipulation bei der Rezeptkontrolle. „Wir wurden stutzig, weil im Arztstempel die Adresse fehlt. Außerdem ist die AOK Niedersachsen Kostenträger, obwohl der Versicherte in Berlin wohnhaft ist. Die fehlende Dosierung hat der Kollege noch ergänzt.“ Aufgrund des mulmigen Gefühls versuchte die Apotheke, mit der Praxis Kontakt aufzunehmen. Weil die nicht weit entfernt ist, wurde ein Kollege geschickt. „Die Praxis teilte uns mit, dass es sich eine Fälschung handelt und Blankorezepte gestohlen wurden. Sauer machte mich die Antwort, warum die umliegenden Apotheken nicht gewarnt wurden. Es gebe Ärger mit der KV. Aus Datenschutzgründen dürfe nicht gewarnt werden.“ Und auch den Berliner Apothekerverein (BAV) hat die Apothekerin informiert und nachgefragt. „Der BAV sagte uns, wir sind die erste Apotheke, bei der eine Fälschung über Lenvima vorgelegt wurde.“
Die Apotheke will jedoch die Kollegen warnen und Aufmerksamkeit für die Fälschung schaffen, da die mutmaßlichen Betrüger weiter auf Beutezug sind. Am nächsten Tag sollte nach gleicher Masche das Arzneimittel telefonisch bestellt und am Abend abgeholt werden. Die Apothekerin hatte die Polizei informiert. Die hatte sich vor der Apotheke positioniert, doch es kam niemand zur Abholung. „Vielleicht wurden die Polizisten in Zivil auch erkannt. Das sind bestimmt Banden, die alles ganz genau beobachten“, vermutet die Apothekerin.