Von den aktuellen Lieferengpässen ist auch ACC 600mg von Hexal betroffen. Umso erstaunlicher, dass größere Mengen des verschreibungspflichtigen Hustenlösers zuletzt wieder auf dem Online-Marktlatz Ebay privat gehandelt wurden. Apotheker Reinhard Rokitta hat Anzeige erstattet – und dann wochenlang zusehen müssen, wie weitere Packungen verkauft wurden.
Bereits am 4. Oktober erstattete Rokitta gegen den privaten Ebay-Verkäufer „hustentee“ bei der Kreispolizeibehörde Heinsberg Anzeige wegen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz. „Der Anbieter bringt wiederholt, unbefugt und rechtswidrig verschreibungspflichtige Großpackungen des Arzneimittels „ACC 600 mg tabs“ zu je 100 Tabletten (N3) bei ebay in den Verkehr“, so sein Vorwurf.
Zum Zeitpunkt der Anzeige waren neun Packungen im Angebot, wovon drei bereits verkauft waren. Und Rokitta merkte an, dass derselbe Anbieter bereits im April 2022 neun Großpackungen illegal verkauft habe, also 900 Tabletten. Ebenfalls im April seien weitere neun Großpackungen unter angeboten worden. Beweise brachte er jeweils als pdf-Dateien der verschiedenen Angebote bei.
In seiner Anzeige erklärte der Inhaber der Punkt-Apotheke in Bünde noch: „Ein Laienhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ist verboten, gefährlich und somit nicht zu tolerieren. Da im vorliegenden Fall offenkundig Wiederholungsgefahr droht, greifen Sie bitte umgehend ein und ziehen Sie den Anbieter zur Verantwortung, damit weitere Verstöße künftig unterbleiben.“
Der Eingang der Anzeige wurde zwar noch am selben Tag bestätigt, getan habe sich dann aber wochenlang gar nichts. Am 14. November – also mehr als fünf Wochen nach der polizeilichen Anzeige – seien weitere zwölf Packungen ACC 600 verkauft worden.
Und so geht es munter weiter. Am 8. Dezember wurden wieder neun Packungen verkauft, vergangenen Woche waren schon neue Packungen im Angebot. „Man fragt sich, wie lange die Polizei den Täter noch unbehelligt operieren lassen möchte“, wundert sich Rokitta.
Angeblich wurde ermittelt: Ende Oktober hatte Rokitta nachgefragt, warum nach dem Hinweis auf die Straftat nichts passiert und das Angebot weiterhin online sei. Zur Antwort erhielt er einige Tage später die Aussage, dass bereits Ermittlungen aufgenommen worden seien. Doch der Verkauf wurde aus kriminaltaktischen Gründen und möglichen Folgemaßnahmen gegen den Verkäufer wie etwa Durchsuchungen vorerst nicht gestoppt.
Rokitta ließ nicht locker, zumal er der Polizei sogar den mutmaßlichen Wohnort des Anbieters mitgeliefert hatte. Da dieser weitere apothekenrelevante Artikel anbiete, liege möglicherweise sogar ein Krankenkassenbetrug vor oder es handele sich um gestohlene Ware. „Das verschreibungspflichtige Arzneimittel ACC 600 Tabs bekommt man nur auf Rezept eines Arztes“, erklärte der Apotheker gebetsmühlenartig. Andere aktuell angebotenen Artikel wie die Mucoclear Inhalationslösung würden zum Beispiel bei bettlägerigen Patienten zu Lasten der Krankenkasse verordnet. Die hier aufgerufenen Preise seien zudem deutlich überteuert.
Rokitta ist im Vorstand der Freien Apothekerschaft, die sich seit Jahren gegen illegale Verkäufe auf Ebay einsetzt. Nach Angaben des Vereins wurden 2019 insgesamt 4140 illegale Arzneimittelangebote bei Ebay und Ebay Kleinanzeigen gefunden, im nächsten Jahr 3705 und 2021 immer noch 3460. Der Großteil sind mindestens apothekenpflichtige Produkte, doch etwa ein Viertel der Angebote betraf sogar verschreibungspflichtige Medikamente.
Und schon 2018 hatten die Freien Apotheker dem damaligen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zwei DVD zukommen lassen, auf denen die Verstöße dokumentiert waren. In der Antwort aus dem Ministerium hieß es, die bestehenden Regelungen des Arzneimittelgesetzes untersagen bereits heute ein Handeltreiben mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln außerhalb von Apotheken. Man werde die dokumentierten Verstöße jedoch zum Anlass nehmen, „in einem gemeinsamen Gespräch mit Betreibern verschiedener Internetplattformen zu erörtern, wie die bestehenden Verbote noch besser eingehalten werden können“.
Und tatsächlich hat die Bundesregierung im vergangenen Jahr reagiert und einen neuen Strafparagrafen zu „Betreiben krimineller Handelsplattformen im Internet“ geschaffen. Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe droht laut dem neuen § 127 StGB, wer eine Handelsplattform im Internet betreibt, „deren Zweck darauf ausgerichtet ist, die Begehung von rechtswidrigen Taten zu ermöglichen oder zu fördern“. Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz sind hier explizit genannt. Die Glücksritter auf Ebay hat das bislang wenig beeindruckt.
APOTHEKE ADHOC Debatte