Nach 25 Jahren

Abschied von der BerlinApotheke

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Berlin -

Zeit für Abschied: Manfred Schneider, Gründer und Inhaber der BerlinApotheke, zieht sich zurück. Ab 1. Juni führt seine bisherige OHG-Partnerin Anike Oleski den Verbund mit vier Apotheken alleine. Schneider will sich auf die von ihm gegründete börsennotierte Aktiengesellschaft Medios fokussieren.

Mit 150 Mitarbeitern an vier Standorten gehört die BerlinApotheke zu den größeren Verbünden in der Hauptstadt. Mit dem Börsengang des aus der Apotheke hervorgegangenen Herstellbetriebs Medios (vormals Zytoservice Berlin) kam für Schneider die Zeit, Abschied zu nehmen. Denn beide Unternehmungen hätten sich auf Dauer wohl nicht parallel führen lassen, ohne Kollegen und Pharmazieräte auf den Plan zu rufen.

Die Übergabe war laut Oleski schon lange vorbereitet. Die Apothekerin ist seit 2012 als Partnerin in der OHG, davor hatte sie fünf Jahre lang die Filiale an der Charité geleitet. „Es war von Anfang an der Plan, dass ich die Apotheke übernehme. Nun ist es etwas schneller gegangen“, sagt Oleski. Sie fühlt sich gut vorbereitet: „Ich hatte lange Zeit, mich in die Strukturen und Prozesse einzuarbeiten. Wir haben sehr intensiv zusammengearbeitet, nun ist es Zeit für den Schritt.“

Die Apothekerin will viel von dem Spirit erhalten, mit dem Schneider die Apotheke aufgebaut hat, aber auch ihren eigenen Weg gehen. Eine Managementberatung hat dabei geholfen, die erforderlichen Strukturen aufzubauen: Es gibt eine zweite Führungsebene mit Filialleitern und Verantwortlichen für die wichtigsten Schwerpunktbereiche.

„Ich weiß, dass ich die Apotheke in gute Hände übergeben kann“, sagt Schneider. „Unser Betrieb ist exzellent geführt, super innovativ und deutschlandweit bekannt. Wir haben ein extrem gutes Betriebsklima und ziehen intelligente Köpfe an.“

Den Handverkauf wird er nicht vermissen, zumal er sich seit Jahren im seinem Büro im Dachgeschoss des Hauses am Oranienburger Tor mehr um die strategische Entwicklung als ums Tagesgeschäft gekümmert hat. „Ich weiß seit zehn Jahren nicht mehr, wie die Kasse funktioniert“, sagt er halb im Scherz. Dennoch falle ihm die Trennung von der Apotheke nicht leicht: „Wir haben den Betrieb mit viel Herzblut aufgebaut – der Abschied von Mitarbeitern, die zum Teil seit mehr als 20 Jahren dabei sind, lässt mich nicht kalt.“

In den kommenden Monaten will sich Schneider als Vorstandschef ganz um Medios kümmern. Das Unternehmen – bestehend aus Herstellbetrieb und Spezialgroßhändler – war vor einem Jahr an die Börse gebracht worden. 19 Millionen Euro hatte der Apotheker dabei an Kapital eingesammelt. Der Großteil von 11 Millionen Euro soll in einen neuen Produktionsstandort in Berlin-Charlottenburg investiert werden.

Schneider ist mit knapp 54 Prozent Mehrheitsaktionär, weitere größere Anteilseigner sind Oleski, Claudia Neuhaus (Witzleben-Apotheke) und Finanzchef Matthias Gärtner. Im Rahmen einer strategischen Allianz wurden außerdem 4 Prozent der Anteile an den aus der Hamburger Cranach-Apotheke von Martin Hesse hervorgegangenen Spezialgroßhändler Cranach Pharma abgegeben.

Medios ist – nach dem Verkauf der Zyto-Sparte von GHD an Zytoservice – einer der beiden großen Player im Bereich der Specialty-Therapien. Die Gruppe wächst rasant: Nach 253 Millionen Euro sind in diesem Jahr Erlöse von 320 Millionen Euro angepeilt. Der Vorsteuergewinn soll bei 11 Millionen Euro liegen (2017: 8 Millionen Euro). Der Börsenkurs ist mittlerweile von 6 auf mehr als 20 Euro gestiegen.

Zum Wachstum beitragen sollen auch Zukäufe: Im März hatte Medios weitere Geschäftsbereiche der BerlinApotheke übernommen. Konkret wurde die Sterilherstellung nicht-zytostatischer Produkte unter das Dach des Unternehmens gebracht. Zuvor hatte Medios einen Standort von GHD übernommen.

Seinen Erfolg verdankt Schneider eigentlich widrigen Umständen: Als die BerlinApotheke 1995 eröffnet wurde, konnte sich Schneider nur eine Apothekerin und eine PKA leisten. Über Jahre hinweg war der Standort am Oranienburger Tor erst Schmuddelecke, dann Großbaustelle. Schneider machte aus der Not eine Tugend und arbeitete sich in den Bereich der HIV-Versorgung ein.

Schnell machte er sich einen Namen, nicht nur, weil er alle Medikamente vorrätig hatte und gut mit den Arztpraxen zusammenarbeitete. Bei den Patienten wurde die Apotheke zum Anlaufpunkt, weil Schneider spezielle Sprechstunden anbot und ein Sortiment speziell zugeschnittener Nahrungsergänzungsmittel auf der Basis von Aminosäuren zur Verfügung stellte.

Im Mai 2002 gehörte er zu den Gründern der Deutschen Arbeitsgemeinschaft der HIV kompetenten Apotheken (DAHKA). Weil der Zusammenschluss zunehmend auch wirtschaftliche Interessen verfolgte, kam es zum Bruch. Schneider stieg aus.

Zweites Standbein wurde die Onkologie. Der Bereich der ambulanten Behandlung von Krebspatienten mit individuell dosierten Chemotherapien stand zu Beginn der 1990er Jahre noch am Anfang. Im selben Jahr, in dem Schneider seine Apotheke eröffnete, wurden erstmals strenge Auflagen für die Zubereitung erlassen – die Ärzte waren nun auf Spezialisten angewiesen, die die Rezepturen in speziellen Reinräumen innerhalb kürzester Zeit zubereiteten und lieferten.

So war es auch ein Onkologe, der Schneider auf das neue Geschäftsfeld aufmerksam machte. Auch in dieses Thema arbeitete er sich schnell ein, zwischen Weihnachten und Neujahr ließ er sich im Krankenhaus Moabit zeigen, welche Zubereitungen vorkommen und was zu beachten ist. Dann baute er sein Büro zum Sterillabor um und nahm die Rezepturherstellung in Angriff. Mit der Zeit belieferte er immer mehr onkologische Schwerpunktpraxen – sein Anspruch, mehr als nur Infusionsbeutel abzuliefern, zahlte sich aus.

Als die AOK Berlin-Brandenburg Anfang 2010 als erste Kasse überhaupt Sterilrezepturen ausschrieb, war Schneider nicht dabei. Er wollte zunächst nicht akzeptieren, dass sich die Ausschreibungen nur aufgrund dezimierter Abgabepreise durchsetzen werden. Erst als die zweite Runde anstand, schwenkte er ein.

Es waren auch wirtschaftliche Zwänge, die ihn dazu bewegten: 2008 hatte er seine Sterilabteilung ausgegründet und in ein neues Sterillabor unweit der Charité investiert. Um den Zuschuss in Höhe von 240.000 Euro, den er dafür von der Investitionsbank Berlin erhalten hatte, nicht zurückzahlen zu müssen, musste er den Standort zehn Jahre lang halten. Ohne AOK-Patienten ging das nicht.

Schneider nahm Neuhaus bei seinem Herstellbetrieb als Partnerin an Bord. Seine ehemalige Kommilitonin hatte gerade die Witzleben-Apotheke komplett übernommen, die ebenfalls in großem Stil Krebspatienten versorgt. Um sich abzusichern, holten die beiden Kollegen einen weiteren Partner dazu: Zytoservice übernahm 20 Prozent der Anteile – der Hamburger Herstellbetrieb brachte nicht nur Kapital mit, sondern insbesondere auch Know-how.

Nun waren Schneider und Neuhaus bereit, sich an der Ausschreibung zu beteiligen – und die Konkurrenz aus dem Feld zu schlagen: Wurden in der ersten Runde elf von 13 Fachlosen mit Zubereitungen von Oncosachs aus Leipzig beliefert, gingen nun elf von 14 Losen an die Apotheken um Zyto-Service Berlin. Daran änderte sich auch bei den folgenden Ausschreibungen nichts – bei jeder Runde verteidigten die Apotheker ihre dominante Position. Nach Unternehmensangaben wurde zuletzt knapp jede dritte Sterilrezeptur in der Hauptstadt an den Werkbänken in der Luisenstraße hergestellt.

Parallel baute Schneider sein Apothekengeschäft aus: Schon 2005 übernahm er eine Apotheke in Friedrichshain, 2006 die traditionsreiche Berolina-Apotheke am Hackeschen Markt sowie die Apotheke an der Charité. Seine Hauptapotheke zog 2011 einige Meter weiter in die Räume eines Italieners an der Ecke Friedrichstraße, nur einen Steinwurf vom Gesundheitsministerium entfernt.

Um eine weitere Apotheke gründen zu können und sich den Standort in einem neuen Tumorzentrum in Spandau zu sichern, gab Schneider 2011 seine erste Filiale an Melanie Klotz ab. Die Apothekerin übernahm auch die Apotheke im Roten Rathaus, an der Dr. Michael Kayser sich verhoben hatte.

Als Schneider den Zuschlag in einem neuen Ärztehaus am Garbátyplatz in Pankow bekam, übernahm in Spandau mit Jana Lemcke die zweite Partnerapothekerin. Man arbeitet bis heute eng zusammen und teilt sich bei Engpässen auch schonmal die Mitarbeiter.

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