In ihrer Apotheke wurde die Chefin hinter vorgehaltener Hand nur noch „die Verrückte“ genannt. Auch das Amtsgericht Köln kam zu dem Schluss, dass bei der Apothekerin in puncto Schuldfähigkeit einiges in Abzug zu bringen war. Und so wurde sie trotz gewerbsmäßigen illegalen Handels mit Dopingmitteln und jahrelangen Betruges an Krankenkassen nur zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Als Apothekerin wird sie trotzdem nicht mehr arbeiten können.
Ab 2014 hatte es zunehmend Beanstandungen über die Zustände und Praktiken in der Kölner Apotheke gegeben, die die Inhaberin seit 2002 führte. Auf Ordnungsgelder folgten Strafverfahren. In einem früheren Verfahren wurde die Frau im Juni 2018 wegen der unerlaubten Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel in 39 Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von knapp 10.000 Euro verurteilt. Sie hatte Medikamente auf der Grundlage chinesischer Rezepte an chinesische Exportfirmen verkauft.
In der Folge wurden ihr von der Aufsicht die Betriebserlaubnis und schließlich auch die Approbation entzogen. Das Verwaltungsgericht Köln bestätigte dies, beide Entscheidungen sind zwischenzeitlich rechtskräftig geworden. Neben dem illegalen Rezepthandel gab es auch massiver Verstöße gegen die Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO). Als die Apotheke wegen der Mängel von der Aufsicht vorrübergehend geschlossen wurde, öffnete die Apothekerin trotzdem.
Im jüngeren Urteil des Amtsgerichts Köln vom 9. November 2018 wurden nun weitere Verfehlungen verhandelt. Zwischen Ende 2014 und Anfang 2017 hat die Apothekerin in 273 Fällen Dopingmittel – fast ausschließlich Testosteron-Präparate – an Bodybuilder verkauft. Die Rezepte hatte ein Augenarzt ausgestellt, teilweise auch erst nachträglich. Auf den Verordnungen waren nicht einmal die Geburtsdaten der Kunden eingetragen, sie dienten nach Überzeugung der Richter allein dem Zweck, die Abgabe legal erscheinen zu lassen. Gegen den Arzt gab es ein eigenes Verfahren.
Die Einnahmen aus dieser illegalen Nebentätigkeit musste sie allerdings größtenteils an den Arzt weiterreichen und damit ein angebliches Darlehen bedienen. Vermutlich deshalb betrog die Apothekerin außerdem die Krankenkassen. Allein gegenüber Barmer, DAK, Pronova BKK und IKK Classic hat sie zu Unrecht Arzneimittel im Wert von knapp 57.000 Euro abgerechnet. Blankorezepte der Uniklinik Köln wurden mit einer falschen Betriebsstättennummer und einer unleserlichen Unterschrift versehen, die Zuordnung zu einem Arzt war unmöglich. Die auf den Rezepten angegebenen Patienten erhielten die Präparate nie – durch die fingierten Verkäufe hatte die Apothekerin eine dauerhafte Einnahmequelle. Den Kassen wurden vornehmlich Hochpreiser in Rechnung gestellt, Abilify, Valdoxan, Lucentis.
Die Apothekerin hat das im Prozess gestanden. Im Dopingfall war die Beweislast zudem erdrückend. So wurde der Inhalt einer sichergestellten Sprachnachricht verlesen, in der die Angeklagte sich nach größeren Mengen Ketamin auf Privatrezepten erkundigt. Auch die Angestellten in der Apotheke wussten Bescheid, welche Rezepte nur von der Chefin angefasst werden durfte. Eine Mitarbeiterin zeigte die Apothekerin im September 2017 anonym bei der Staatsanwaltschaft an.
Das Gericht hatte allerdings Zweifel an der vollständigen Schuldfähigkeit der Angeklagten, die zumindest „massiv überlastet“ war. Bei ihren Mitarbeitern hatte sie „den Eindruck einer völlig erschöpften, überforderten und durchgedrehten Person hinterlassen“, heißt es in der Urteilsbegründung. Einen Beleg dafür, dass die Inhaberin leicht zu beeinflussen war, sahen die Richter etwa in der Zahlung von 15.000 Euro an einen angeblichen Apothekenberater – der sich als Betrüger entpuppte.
Bei der Hauptverhandlung machte die Angeklagte auch keinen besonders guten Eindruck, als sie minutenlang „unzusammenhängend und wirr“ redete. Das Gericht hat den Verdacht auf eine massive psychische Störung. Ihr Verteidiger wollte ein Gutachten zu ihrer Schuldfähigkeit einholen. Das Gericht verzichtete darauf, kam aber selbst zu dem Schluss, dass das gezeigte Verhalten nicht nur zur Abwendung einer Insolvenz erfolgte. Auch Anzeichen für eine Erpressung gab es nicht.
Nicht geklärt werden konnte in der Verhandlung, ob die Frau selbst drogen- oder medikamentenabhängig war. Sie hatte dies bei ihrer Vernehmung jedenfalls vehement bestritten.
Ihr Geständnis und die „verzweifelte geschäftliche Situation“ preisten die Richter strafmildernd in ihr Urteil ein, konnten jedoch über die Vielzahl der Taten und den hohen Schaden nicht hinwegsehen. Die Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren wurde zur Bewährung ausgesetzt, da die Angeklagte ihre Apotheke ohnehin nicht mehr führen konnte. Das Amtsgericht sah davon ab, auch noch ein Berufsverbot auszusprechen, wusste aber von dem bevorstehenden unvermeidlichen Entzug der Approbation. Die Apothekerin muss sich als Bewährungsauflage einer Therapie unterziehen – und dem Therapeuten sollte das Urteil zur Kenntnis gegeben werden.
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