Abrechnungsbetrug: AOK will Warenwirtschaft durchleuchten APOTHEKE ADHOC, 07.01.2021 13:23 Uhr
Im Kampf gegen Abrechnungsbetrüger will die AOK auch Apotheken transparenter machen. So schlägt der Bundesverband vor, dass bei der Abrechnung konkrete Buchungsvorgänge aus der Warenwirtschaft übermittelt werden müssen.
Der AOK Bundesverband hat seinen Tätigkeitsbericht zu Fehlverhalten im Gesundheitswesen vorgelegt. Neben Versicherten und anderen Leistungserbringern werden auch Apotheken als Abrechnungsbetrüger genannt. Im Arzneimittelbereich entstünden hohe Schäden insbesondere dann, wenn Apotheker mit Ärzten oder Versicherten gemeinsame Sache machten. „In der Regel erhalten die Rezepteinreichenden statt der verordneten Arzneimittel andere geldwerte Vorteile“, so die AOK.
„Sinnvoll ist es insofern, die Apothekerinnen und Apotheker dazu zu verpflichten, bei der Buchung der Warenabgabe im Datensatz des Datenträgeraustauschs im Rahmen der Apothekenabrechnung die Buchungsnummer elektronisch zu übermitteln“, schlägt der AOK-Bundesverband vor. Zu erreichen wäre dies durch eine entsprechende Ergänzung der Vorschriften nach § 17 Abs. 6 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO), welche Angaben bei der Abgabe eines Arzneimittels auf dem Kassenrezept zu machen sind. Zusätzlich sollte die Verpflichtung im Zusammenhang mit dem Datenträgeraustausch gemäß § 300 Sozialgesetzbuch (SGB V) festgehalten werden.
Im Zusammenhang mit dem Missbrauch von Betäubungsmitteln (BtM) schlägt der AOK-Bundesverband ein erweitertes BtM-Register vor – analog zum Substitutionsregister. Während nämlich der Missbrauch von Methadon überwacht werde, fehle dies bei anderen BtM wie Fentanyl, Methylphenidat und Oxycodon. Seit Jahren beobachteten die Krankenkassen, dass eine steigende Zahl von Versicherten problemlos an Rezepte für diese Medikamente komme: „Denn viele Ärztinnen und Ärzte können in sehr kurzen Abständen konsultiert werden, ohne dass diese die Möglichkeit haben, zum Zeitpunkt der Verordnung zu prüfen, wie sich das vergangene BtM-Verhalten des Patienten darstellt. Durch das Aufsuchen verschiedener Apotheken entfällt auch die Kontrollmöglichkeit durch die Apothekerinnen und Apotheker.“
Neben den finanziellen Schäden für die Krankenkassen gebe es auch eine Gefahr für Leib und Leben der Versicherten. „Analog zum Substitutionsregister ist ein erweitertes BTM-Register notwendig, das durch die Daten der abgebenden Apotheken gespeist wird und den verordnenden Ärzten elektronisch und on demand niederschwellig zur Verfügung steht“, fordert der AOK-Bundesverband. „Der Gesetzgeber ist gefordert, hier einen rechtlichen Rahmen festzulegen, der analog zum Substitutionsregister auch datenschutzrechtliche Freiheitsgrade schafft, um Prävention überhaupt erst möglich zu machen. Dies würde die Arzneimitteltherapiesicherheit erhöhen. Die Bekämpfung von Arzneimittelmissbrauch ist auch für Deutschland eine Herausforderung von gesellschaftspolitischer Bedeutung.“ Die Krankenkassen selbst wollen diese Daten gar nicht einsehen.
In den Jahren 2018 und 2019 haben die AOKen laut Bericht mehr als 37 Millionen Euro für ihre Versicherten zurückgeholt, die durch Fehlverhalten im Gesundheitswesen entstanden sind. „Wir müssen jedoch von einer weitaus höheren Dunkelziffer ausgehen. Die Folgen sind nicht nur für die AOK-Gemeinschaft beträchtlich“, sagt Dr. Volker Hansen, Aufsichtsratsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes für die Arbeitgeberseite. Durch die Verfolgung von Fällen, die in den elf AOKs aufgedeckt und zur Anzeige gebracht wurden, konnte das Geld direkt wieder der Kranken- und Pflegeversicherung zurückerstattet und damit zur Versorgung der Mitglieder und Familienversicherten eingesetzt werden.
Laut Bericht wurden im Zeitraum 10.899 Fälle neu erfasst und 7259 bereits erfasst Fälle weiter verfolgt. Apotheken rangieren mit 608 Bestands- und 1212 neuen Fällen hinter Versicherten, Pflegediensten, Heimittel- und Hilfsmittelanbietern und Ärzten. Bei 427 Fällen gab es externe Hinweise, 889 Fälle wurden intern entdeckt. 1212 Fälle wurden abgeschlossen, 443 nachgewiesen. Als Fallbeispiel wird im Bericht die Fälscherbande aus Brandenburg genannt, der eine Apothekerin, ihr Mann und eine PTA angehörten und die bundesweit gefälschte Rezepte einlöste und die Arzneimittel dann über die eigenen Apotheken weiterverkaufte.
Bereits 2016 habe die AOK Strafanzeige gestellt; nur durch das Engagement einer ortszuständigen Polizeibehörde hätten die Vorgänge gebündelt und zusammengeführt werden können, so der Bundesverband. „Das Vorgehen wurde hoch professionell organisiert und ließ auf einen gewerbsbeziehungsweise bandenmäßigen Betrug schließen.“ Vor Vorstellung der Schlussanträge habe der Oberstaatsanwalt einen Brandbrief der AOK erwähnt. Dieser habe bewirkt, dass die Angelegenheit fortgeführt werden konnte.