Die Ausstellung digitaler Impfzertifikate läuft so ab, wie es die Apotheken während der Pandemie leidvoll gewohnt sind: Sie müssen erst einmal machen und erfahren dann danach, wie genau es geht. Das gilt diesmal auch für die Abrechnung. Wie genau die funktioniert, weiß noch keine Apotheke – allerdings macht ein Detail bei der Ausstellung viele stutzig: Der Zähler im Portal läuft kontinuierlich, auch bei abgebrochenen oder fehlerhaften Übertragungen. Kommt da ein Abrechnungschaos auf die Apotheken zu?
Es gibt Apotheken, die hatten Montagmorgen schon dutzende Impfzertifikate ausgestellt, obwohl noch kein einziger Kunde in der Offizin stand – rein formal zumindest. Denn der zugehörige Zähler im DAV-Portal verbucht offenbar auch abgebrochene und fehlerhafte Vorgänge als fertige Impfzertifikate. Das fiel beispielsweise Gisela Fabritius-Friedel heute Morgen auf: „Ich bin zwar mit 60 ein Oldie in EDV-Fragen, aber ich war eine der ersten hier, die das anbietet. Zu Beginn habe ich heute Morgen erst einmal meine eigenen Impfpassdaten eingegeben, um es auszuprobieren“, erzählt die Inhaberin der Sonnen-Apotheke in Bonn. „Das hatte zuerst nicht funktioniert, also habe ich es mehrfach versucht und dann gesehen, dass der Zähler jedes Mal weitergelaufen ist.“
Also behielt sie den Zähler daraufhin im Blick – und tatsächlich kommen laut Portal weitaus mehr Ausstellungen zustande als es de facto der Fall ist. Doch was bedeutet das für die Apotheken? Auf welcher Datengrundlage wird abgerechnet? Darauf hätte die Inhaberin gern Antworten – doch die gibt es auch nicht. Die Abda kann sie zumindest aus dem Stegreif nicht geben. Theoretisch dürfte der Zähler nicht das Maß der Dinge sein, denn die an das Robert-Koch-Institut (RKI) übermittelten Daten würden dort anonymisiert und daraus dann die Abrechnungsdatensätze generiert.
Allerdings: Zumindest bei fehlerhaften Daten scheint die Übertragung ans RKI zu erfolgen. „Auf dem Ausdruck des Impfzertifikats ist ein Code, der sich jedes Mal unterscheidet – auch wenn man mehrfach denselben Impfpass einträgt“, sagt die Inhaberin. „Wenn man fünfmal denselben Namen eingibt, erhält man fünfmal einen neuen Code.“ Eine eigene Prüfung erfolgreicher und fehlerhafter Zertifikatserstellungen bestätigt das: Unter den Personendaten befindet sich ein längerer Code aus Zahlen, Buchstaben und Sonderzeichen namens „Eindeutige Zertifikatserkennung“. Werden also auch fehlerhafte oder doppelt ausgestellte Impfzertifikate vergütet? Und falls ja, was ist da als Apotheke zu tun?
Das wüsste auch Fabritius-Friedel gern. Aber an Informationen zu kommen, ist am Montagmorgen schwer bis unmöglich, wie sie bereits feststellen musste. „Ich habe schon um 8.15 Uhr beim Verband angerufen und gefragt, ob ich Geimpfte aus Impfzentren eigentlich bedienen kann. Das wussten sie auch nicht!“ Und das könnte bereits ein Menetekel sein: Denn die Impfzentren sollen in den meisten Bundesländern Codes per Post verschicken. Trotzdem besuchen am Montagmorgen zahlreiche Menschen, die dort geimpft wurden, Apotheken, um ihre Impfpässe zu digitalisieren. Ob sie das aus Ungeduld oder mangelnder Information über den Versand tun, sei dahingestellt. Fakt ist jedenfalls: „Die Impfzentren kriegen für den Postversand dann noch Geld vom Land oder vom Bund, während die Impflinge in die Apotheke gehen, die dann ebenfalls dafür vergütet werden.“
Aus ihrer Sicht ist das vor allem eines: eine Verschwendung von Steuergeldern, die dann wieder als „Finanzspritze“ negativ auf die Apotheken zurückfallen könnte. „Da muss etwas getan werden, aber schnellstens! Diese Lücke muss sofort geschlossen werden“, fordert Fabritius-Friedel. „Da wird schon wieder so viel Geld in den Sand gesetzt und dem Betrug Tür und Tor geöffnet. Und morgen steht wieder in der Zeitung, dass wir Apotheken Abzocker wären. Dann wird dann uns wieder vorgeworfen, wir seien diejenigen, die zu viel abrechnen. Das will ich nicht, denn wir können da nichts dafür. Aber am Ende sind wir es wieder, denen dann die Vergütung gekürzt wird.“
Bis dahin steht sie aber weiter vor der Frage, wie mit dem Problem praktisch umzugehen ist. Einfach ignorieren und hoffen, dass es mit der Abrechnung schon passen wird? „Soll ich die Ausdrucke archivieren und als Belege nutzen? Dann verstoße ich gegen den Datenschutz. Aber auf den Zähler kann ich mich ja offensichtlich auch nicht verlassen“, sagt sie. „Wir werden ja geradezu aufgefordert, uns hier strafbar zu machen.“
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