Abmahn-Apotheker ausgesperrt Alexander Müller, 28.06.2018 07:51 Uhr
Apothekern flattern jetzt die ersten Abmahnungen wegen vermeintlicher Verstöße gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) ins Haus. Auch Testanrufe gab es schon. Doch Rechtsanwalt Dr. Volker Herrmann von der Kanzlei Terhaag & Partner hat eine gute Nachricht für die Apotheker: Zumindest vor abmahnwütigen Kollegen müssten sie sich nicht fürchten.
ADHOC: In den ersten Wochen nach Inkrafttreten der DS-GVO ist es ruhig geblieben. Täuscht der Eindruck?
HERRMANN: Abmahnungen hat es tatsächlich bislang erst wenige gegeben. Deutlich mehr geworden sind Auskunftsverlangen und Löschungsanträge. Viele dieser Betroffenenrechte gab es zwar schon vorher. Da dies nun aber fast täglich in Zusammenhang mit der DSGVO in der Zeitung stand, haben viele Verbraucher das auch einfach mal ausprobiert.
ADHOC: Wie erklären Sie sich die Zurückhaltung der „Abmahn-Lobby“?
HERRMANN: Zum einen ist das Datenschutzrecht wesentliche komplexer als die typischen Abmahnfälle aus dem Wettbewerbsrecht. Zum anderen ist die DSGVO neu und es gibt noch keine Rechtsprechung zu den einzelnen Pflichten und wie diese genau umgesetzt werden müssen. Der schablonenhaft vorgehende Abmahner hängt sich aber typischerweise an Präzedenzfälle an, um dann genau solche Verstöße abzumahnen. Das geht im Moment aber nicht.
ADHOC: Welche öffentlichen Angaben von Apotheken sind tatsächlich kritisch?
HERRMANN: Das wichtigste ist sicherlich all das, was nach außen in Erscheinung tritt. Die Datenschutzerklärung auf der Website muss also unbedingt DSGVO-konform sein. Auch die Einwilligungserklärungen der Kunden müssen in Ordnung sein, z.B. bei der Anmeldung zu einem Newsletter. In der Apotheke muss eine Datenschutzerklärung vorhanden sein und auch hier sollten die Einwilligungserklärungen überprüft werden.
ADHOC: Haben sich die Apotheken nach Ihrer Erfahrung gut vorbereitet?
HERRMANN: Es soll noch Kundenkarten oder Gewinnspiele geben, auf denen nichts zum Datenschutz steht. Apotheken mit Videoüberwachung sollten an die vorgeschriebenen Schilder denken, die mit einem Kamerazeichen auf die Überwachung hinweisen.
ADHOC: Können sich Apotheker überhaupt gegenseitig abmahnen?
HERRMANN: Hier wird es spannend. Viele Datenschutzexperten und auch ein ehemaliger Richter am Bundesgerichtshof (BGH) haben geäußert, dass Verstöße gegen die DSGVO gar nicht von Wettbewerbern abgemahnt werden dürfen. Wenn sich diese Meinung bei den Gerichten durchsetzt, wird das Schreckgespenst der Abmahnungen bald arbeitslos. Es gibt aber noch kein einziges Urteil zu dieser Frage. Ganz werden die Abmahnungen im Datenschutz aber ohnehin nicht aussterben. Die berühmten Abmahnvereine und Wettbewerbsverbände dürfen auf jeden Fall weiter abmahnen.
ADHOC: Und was ist mit Amazon. Wird der Verkauf apothekenpflichtiger Arzneimittel über die Plattform komplett verboten?
HERRMANN: Meine Prognose ist, dass die Entscheidung des Landgerichts Dessau-Roßlau nicht lange Bestand haben wird. Entweder wird das OLG Naumburg das Urteil aufheben oder spätestens dann wird Amazon auf das Urteil reagieren und die Einwilligungserklärung anpassen. Wenn die Einwilligung zur Weitergabe der Daten dann korrekt von Amazon implementiert wird, ist der Fall erledigt.