Abholfächer sind eine praktische Sache – auch für nachbestellte Arzneimittel. Allerdings sieht es der Pharmazierat nicht gern, wenn diese direkt an den Kommissionierer angeschlossen sind. Einem Apotheker wurde von seinem Regierungspräsidium der Betrieb untersagt – dabei ist er selbst Pharmazierat.
Es soll Beschwerden über den Betrieb des Visavia von Rowa gegeben haben, teilte das Regierungspräsidium mit. Der Apotheker wurde darauf hingewiesen, dass die Arzneimittelabgabe über Terminals ein „äußerst sensibles umstrittenes Thema“ sei. Ein gänzlich automatisiertes Abholsystem mit direktem Anschluss an den Kommissionierer ohne Kontrolle durch pharmazeutisches Personal werde als Verstoß gegen die Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) gewertet. Eine Abgabe von Arzneimitteln über Außenterminals sei grundsätzlich nur außerhalb der Öffnungszeiten zulässig. Ausgenommen seien lediglich „codegeschützte Abholfächer“.
Der Apotheker sollte angeben, für welche Produkte und zu welchen Zeiten er das Abholfach nutzt und ob dieses mit dem Kommissionierer verbunden sei. Auch für die Art der Bezahlung interessierte sich die Aufsicht.
Der Apotheker antwortete, dass er den Visavia nur sehr eingeschränkt nutze: Nur Freiwahlartikel könnten sich Kunden dort selbst verschaffen, eine Arzneimittelabgabe erfolge lediglich als Abholfach, wenn der Kunde sein Rezept zuvor in der Apotheke eingelöst habe und beraten worden sei. Und ja, das Fach sei an den Kommissionierer angeschlossen.
Konkret lief der Vorgang so. Der Kunde wählt in der Apotheke die Abholung über den Visavia. Dann bekommt er neben der Abholnummer einen sechsstelligen-Code, um das Arzneimittel später abzuholen. Das Medikament wird aber nicht aus dem allgemeinen Lager des Kommissionierers entnommen. Nachlieferungen des Großhandels werden zunächst von pharmazeutischem Personal kontrolliert und dann von diesem in den Automaten eingelagert. Über die EDV wird das Medikament als „Nachlieferung Automat“ gekennzeichnet und ausschließlich für diese eine Auftragsnummer reserviert. Das Präparat wird gewissermaßen individualisiert.
Der Abholauftrag wird wiederum von einem Apotheker angelegt – und zwar über ein Laptop, das nur mit dem Visavia verbunden ist. Hier werden die PZN und der Abholcode hinterlegt. Nur mit Eingabe der Abholnummer und des Codes kann der Kunde das Arzneimittel auslagern lassen und dem Fach entnehmen. Weil das Abholfach als Schleuse konstruiert ist, kann der Kunde nur seine Lieferung und nur für eine kurze Zeit entnehmen. Der Apotheker hat diesen Vorgang nach eigenen Angaben zudem täglich simuliert. In zwei Jahren sei bei diesen Kontrollen kein einziger Fehler aufgetreten.
Trotzdem kündigte das Regierungspräsidium an, die Nutzung des Automaten als Abholfach zu untersagen. Woran sich die Aufsichtsbehörde offenbar stieß, war die „chaotische Einlagerung“ im Kommissionierer. Die Nachlieferung sei zwar mit einem Code versehen, aber inmitten der anderen Arzneimittel gelagert. Automaten seien eben „Verkaufsmaschinen“, die vom Kunden selbstständig bedient würden. Eine Kontrolle durch den Verkäufer finde bei Abgabe nicht mehr statt, die Kontrolle werde vielmehr an den Automaten abgegeben. Technische Fehler oder Missbrauch durch den Kunden könnten so nicht bemerkt und verhindert werden.
Das Regierungspräsidium kündigte an, einen gebührenpflichtigen Bescheid zu erlassen, sollte der Apotheker sein Abholmodell nicht einstellen. Dieser teilt zwar die Auffassung seiner Aufsichtsbehörde nicht, wollte es aber nicht auf einen Prozess ankommen lassen und gab eine entsprechende Erklärung ab. Seitdem steht der Visavia still.
Die Aufsichtsbehörden in den Bundesländern sind in der Vergangenheit unterschiedlich vorgegangen, wenn es um Abholfächer ging, die an einen Kommissionierer angeschlossen waren. Doch bei ihrer Jahrestagung haben sich die Pharmazieräte unlängst für die harte Linie entschlossen. Die automatisierte Abgabe soll jetzt bei Revisionen bundesweit beanstandet werden.
Hersteller BD Rowa forciert den Vertrieb von Visavia in Deutschland schon lange nicht mehr; als reines Abholterminal sollte der einst umstrittene Abgabeautomat eine zweite Chance erhalten. Aber mit der Resolution der Pharmazieräte steht auch die abgespeckte Abholfach-Variante „Click & Collect“ plötzlich vor dem Aus. Für einen international aufgestellten Konzern ist das wirtschaftlich kein Beinbruch, ungerecht behandelt fühlt man sich in Kelberg aber schon.
Sales Director Dirk Bockelmann sagt: „Wenn es die Maximalforderung gibt, dass die Übergabe nur nach menschlichem Kontakt zulässig ist, könnte man damit leben. Aber eine Technik zu benachteiligen, finden wir schwierig.“ Denn Fehler könnten auch bei einem manuell befüllten Fach auftreten, etwa wenn nach Eingabe des Codes ein falsches Fach aufspringt. „Ich weiß nicht, wie intensiv solche Details unter den Pharmazieräten diskutiert wurden. Wir wurden leider nie gebeten, eine Stellungnahme abzugeben“, so Bockelmann.
APOTHEKE ADHOC Debatte