Ab 8. April ist Schluss

Abgabeerleichterungen: Wirklich keine Verlängerung möglich?

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Berlin -

Am 7. April enden die seit April 2020 bestehenden Abgabeerleichterungen, in den Apotheken droht dann Chaos. Bis zumindest bei gravierenden Lieferengpässen neue Lockerungen greifen, wird es noch dauern. Eine Verlängerung der bisherigen Vorgaben ist laut Bundesgesundheitsministerium (BMG) nicht möglich. Aber stimmt das wirklich? Wäre vielleicht sogar eine Übergangsregelung bis Jahresende ohne Probleme möglich?

Die Lockerungen waren zu Beginn der Pandemie mit der Sars-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung eingeführt worden, um unnötige Kontakte zu vermeiden. Wichtigstes Instrument ist der Aut-simile-Austausch: Ist ein verordnetes Arzneimittel nicht vorrätig, darf von der Darreichungsform, der Packungsgröße und auch von der Wirkstärke abgewichen werden, solange die verordnete Wirkstoffmenge nicht überschritten wird. Die Apotheken sind in diesen Fällen vor Retaxationen geschützt. Auch die Abgabe von Teilmengen sowie andere Erleichterungen wurden freigegeben.

Auch wenn Corona mittlerweile nur noch eine untergeordnete Rolle spielt, haben die Lockerungen nicht an Bedeutung verloren, im Gegenteil: In den letzten Wochen und Monaten wurden die Möglichkeiten genutzt, um die gravierenden Lieferengpässe abzufedern. Obwohl die Lockerungen also vom ursprünglichen Zweck abgelöst wurden, lehnt das BMG eine Verlängerung ab. Denn: „Die Sars-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung ist bis 7. April 2023 befristet. Eine Verlängerung der in der Verordnung geregelten vereinfachten Austauschregelungen für Apotheken über den 7. April 2023 hinaus ist aufgrund der Vorgabe in der Verordnungsermächtigung im Infektionsschutzgesetz nicht möglich“, so eine Sprecherin.

IfSG als Ermächtigungsgrundlage

Sie verweist auf § 5 Absatz 4 Satz 2 Infektionsschutzgesetz (IfSG), in dem das Außerkrafttreten der diversen Corona-Rechtsverordnungen geregelt ist. Hintergrund ist, dass das BMG zu Beginn der Pandemie zum Erlass entsprechender Regelungen ohne Zustimmung des Bundesrates ermächtigt worden war. Dies sollte aber nicht auf Dauer möglich sein, schon um eventuelle Mitspracherechte von Parlament und Ländern nicht zu untergraben. Im Grunde sollten alle Rechtsverordnungen „mit Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite außer Kraft“ treten.

Doch es sind auch explizite Ausnahmen vorgesehen – und hier könnte man je nach Lesart zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, was die Sars-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung angeht. Drei Formulierungen sind relevant.

7. April 2023

Mit Ablauf des 7. April 2023 treten demnach beispielsweise Verordnungen außer Kraft, die „zur Sicherstellung der Versorgung mit Arzneimitteln“ dienen und

„Regelungen zum Vertrieb, zur Abgabe, Preisbildung und -gestaltung, Erstattung, Vergütung sowie für den Fall beschränkter Verfügbarkeit von Arzneimitteln einschließlich Impfstoffen zur Priorisierung der Abgabe und Anwendung der Arzneimittel oder der Nutzung der Arzneimittel durch den Bund und die Länder zu Gunsten bestimmter Personengruppen vorsehen“.

Diese Formulierung in § 5 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 Buchstabe f könnte also für die Sars-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung relevant sein.

Und es gibt noch einen weiteren Passus, der ebenfalls auf die Abgaberegeln zutreffen könnte. In § 5 Absatz 2 Satz 1 Nummer 7 geht es um Verordnungen, die „Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Gesundheitsversorgung“ etwa in Praxen, Kliniken oder Apotheken vorsehen und zum Ziel haben,

„untergesetzliche Richtlinien, Regelungen, Vereinbarungen und Beschlüsse der Selbstverwaltungspartner nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch und nach Gesetzen, auf die im Fünften Buch Sozialgesetzbuch Bezug genommen wird, anzupassen, zu ergänzen oder auszusetzen“.

Auch dies könnte die Sars-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung betreffen, immerhin werden im Grunde diverse Abgaberegelungen aus dem Rahmenvertrag ausgesetzt.

31. Dezember 2023

Doch es gibt auch eine Formulierung, die man in Hinblick auf die Sars-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung auslegen könnte. Nach § 5 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 Buchstabe a sind Verordnungen bis Jahresende gültig, die „zur Sicherstellung der Versorgung mit Arzneimitteln“ dienen und

„Ausnahmen von den Vorschriften des Arzneimittelgesetzes, des Betäubungsmittelgesetzes, des Apothekengesetzes, des Fünften Buches Sozialgesetzbuch, des Transfusionsgesetzes, des Heilmittelwerbegesetzes sowie der auf ihrer Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen, der medizinprodukterechtlichen Vorschriften und der die persönliche Schutzausrüstung betreffenden Vorschriften zum Arbeitsschutz, die die Herstellung, Kennzeichnung, Zulassung, klinische Prüfung, Anwendung, Verschreibung und Abgabe, Ein- und Ausfuhr, das Verbringen und die Haftung, sowie den Betrieb von Apotheken einschließlich Leitung und Personaleinsatz regeln“.

Im Grunde trifft dies auf die Sars-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung zu. Denn laut § 1 werden die Abgabeerleichertungen als „Ausnahmen vom Fünften Buch Sozialgesetzbuch“ definiert. Konkret werden Abweichungen von § 129 Absatz 1 Satz 1 bis 5 und 8 SGB V sowie vom Rahmenvertrag nach § 129 Absatz 2 vorgesehen.

In der Einleitung nimmt das BMG selbst auf die oben zitierten Paragraphen Bezug, und zwar sowohl auf § 5 Absatz 2 Nummer 4 Buchstabe a (befristet bis 31. Dezember 2023), als auch § 5 Absatz 2 Nummer 4 Buchstabe f sowie Nummer 7 (befristet bis 7. April 2023).

„Zurück in die Steinzeit“

Vor diesem Hintergrund gab es in den vergangenen Wochen Stimmen in der Apothekerschaft, die eine Gültigkeit bis Jahresende postulierten. Aber das BMG ist offenbar zu einer anderen Einschätzung gekommen, wie die Stellungnahme der Sprecherin zeigt. Von einem „bürokratischen Monster“ sprach Abda-Präsidentin Gabriele Overwiening, von einer „Rückkehr in die Steinzeit“ Nordrheins Verbandschef Thomas Preis.

Laut Overwiening ruht nun die Hoffnung darauf, dass aus dem Bundestag ein Änderungsantrag eingebracht wird, mit dem die Erleichterungen doch noch verstetigt werden. Auch in ihrer Stellungnahme zum Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetzes (ALBVVG) fordert die Abda genau das, bislang sind hier nur Lockerungen für Fälle vorgesehen, in denen offiziell ein Lieferengpass ausgerufen wurde.

Kassen gegen Lockerungen

Die Kassen halten massiv dagegen. Laut AOK-Bundesverband sind Lockerungen bei der Abgabe „nicht sachgerecht und in der vorliegenden Form dringend abzulehnen“. Anders als zur Zeit der Corona-Pandemie bestehe keine Notwendigkeit zur Kontaktreduktion mehr, daher ist es auch Sicht sowohl von AOK als auch GKV-Spitzenverband durchaus zumutbar, dass zunächst versucht wird, das in der Apotheke nicht vorrätige, aber unter Umständen beschaffbare Arzneimittel zunächst zu besorgen.

„Selbst wenn das BfArM einen Lieferengpass für ein Arzneimittel gelistet hat, ist dies nicht zwingend gleichzusetzen damit, dass dieses nirgendwo mehr vorhanden beziehungsweise zu erhalten ist. Auch bedeutet der Lieferengpass des einen Arzneimittels nicht, dass nicht andere – wirtschaftlichere – Arzneimittel als das aktuell in der Apotheke vorrätige in einer angemessenen Zeit beschafft werden können.“

Im Rahmenvertrag sei die Abgaberangfolge umfassend geregelt, auch die Fälle bei Nichtverfügbarkeit eines Arzneimittels in einem dringenden Fall. „Das verordnete Arzneimittel legt dabei ausgehend von seinen Merkmalen (Wirkstoff, Wirkstärke, Packungsgröße, Darreichungsform) lediglich das Auswahlfenster fest, in dem anschließend entsprechend den Regelungen des Rahmenvertrags die wirtschaftliche Rangfolge für das abzugebende Arzneimittel unter den am Markt befindlichen bestimmt wird. Auch insofern ist die vorgesehene Regelung nicht passend.“

Dass dann auch noch Retaxationen ausgeschlossen sind, stehe im Widerspruch zu anderen Regelungen wie etwa der Arzneimittelverschreibungsverordnung und gefährde am Ende die Wirtschaftlichkeit der Versorgung, so die AOK. „Das Aussetzen der Retaxation ist weder erforderlich noch sachgerecht.“ Zahlreiche Ausnahmetatbestände zur abweichenden Abgabe und deren Dokumentation seien bereits im Rahmenvertrag geregelt. „Die ergänzten Regelungen zur vereinfachten Austauschbarkeit bilden die Grundlage der Rezept- und Abrechnungsprüfung. Darüber hinaus sind allgemeine Prüfpflichten hinsichtlich des Anspruchs, der korrekten Preisbildung und ordnungsgemäßen Verordnung unabdingbar.“

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