Ab morgen: Cannabis auf Rezept Patrick Hollstein, 09.03.2017 09:39 Uhr
Es ist so weit: Ab morgen können Ärzte schwerkranken Patienten Cannabis auf Kassenrezept verordnen. Das entsprechende Gesetz wurde heute im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft. Mitte Februar hat der Bundesrat der Freigabe zugestimmt.
Laut Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte mit einer schwerwiegenden Erkrankung Anspruch auf Versorgung mit Cannabis, wenn „eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht“ oder diese nach Einschätzung des behandelnden Arztes „unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der oder des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann“. Zweite Vorbedingung ist, dass „eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht“.
Als Betäubungsmittel darf Cannabis nur auf BtM-Rezept verschrieben werden. Zulässig ist die Verordnung von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität und von Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon.
Laut novellierter Betäubungsmittverschreibungsverordnung (BtMVV) darf der Arzt innerhalb von 30 Tagen pro Patient bis zu 100 g Cannabis in Form von getrockneten Blüten verschreiben. Bei Cannabisextrakt gilt bezogen auf den Gehalt an ∆9-Tetrahydrocannabinol die bisherige Höchstgrenze von 1000 mg.
Weder Tier- noch Zahnärzte dürfen Rezepte über Cannabis ausstellen. Für alle anderen Ärzte gibt es keine besonderen Anforderungen, insofern gelten für die Verordnung von Cannabis die allgemeinen Regelungen der vertragsärztlichen Versorgung. Aufgrund der ärztlichen Verschreibung unterliegen Apotheken dem Kontrahierungszwang nach Paragraf 17 Absatz 4 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO).
Angeboten werden neben den Fertigarzneimitteln Sativex (Cannabis-Dickextrakt, GW/Almirall) und Canemes (Nabilon, AOP Orphan) verschiedene Ausgangsstoffe zur Verarbeitung in der Apotheke. Das können Cannabis-Blüten sein, die von Spezialgroßhändlern importiert werden und geraucht oder inhaliert werden. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) soll als Cannabisagentur den Anbau ausschreiben und kontrollieren; die Ernte wird komplett aufgekauft und an Großhändler und Apotheken vertrieben. Allerdings rechnet BfArM-Präsident Professor Dr. Karl Broich wegen des Procederes nicht damit, dass vor 2019 Ware aus einheimischer Ernte zur Verfügung stehen wird.
Alternativ gibt es von Bionorica einen Extrakt sowie von der Tochterfirma THC Pharma die Reinsubstanz Dronabinol (Tetrahydrocannabinol, THC), die im Rahmen der Rezeptur weiterverarbeitet werden. Das Unternehmen aus Neumarkt hat sich ein kleines Hanfmonopol aufgebaut. Seit 2002 hält Firmenchef Professor Dr. Michael Popp an Cannabisprodukten fest; über viele Jahre fuhr er damit hohe Verluste ein. Jetzt könnte sich sein Durchhaltevermögen auszahlen: Derzeit sind laut Popp etwa 800.000 Patienten nicht ausreichend therapiert und könnten vom Einsatz der Cannabispräparate profitieren.
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