Ab 2020: Der digitale Kassenbon kommt APOTHEKE ADHOC, 11.03.2019 09:00 Uhr
Ab Januar 2020 gilt die Kassenbonpflicht. Das Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen verpflichtet dann alle Einzelhändler mit Registrierkasse dazu, ihren Kunden für jeden Kauf einen Beleg auszuhändigen. Während alle Bereiche der Wirtschaft digitalisiert werden, setzt der Gesetzgeber also darauf, weiter milliardenfach Papierzettel in den Umlauf zu bringen. Doch es gibt bereits Ideen, aus der Pflicht Kapital zu schlagen: Das Bremer Softwarehaus A&G rollt demnächst ein Projekt aus, mit dem es den Kassenbon aufs Handy bringen will – mit Vorteilen nicht nur für die Umwelt, sondern auch für die Einzelhändler, wie das Unternehmen verspricht.
Ab nächstem Jahr gibt es an Millionen von Kassen einschneidende Veränderungen: Einerseits müssen die Händler ab dann verpflichtend einen Kassenbon abgeben. Andererseits darf das Thermopapier, auf dem die meisten Bons gedruckt sind, ab dann nicht mehr vermarktet werden. Das gilt nämlich unter anderem wegen des Inhaltsstoffs Bisphenol A als gesundheitsschädlich. „Die Händler müssen also so oder so umdenken“, erklärt eine A&G-Sprecherin die Situation. Außerdem sei es doch widersinnig, dass in Apotheken Kassenbons mit einer gesundheitsschädlichen Substanz abgegeben werden – die durch die Verwendung von Desinfektionsmitteln auch noch schneller aufgenommen werden. „Ich gehe doch in die Apotheke, um gesund zu werden – und nicht, um noch mehr giftige Stoffe zu mir zu nehmen.“
Der Softwareentwickler versucht deshalb nun, mit einer eigenen Innovation in die neue Gemengelage zu stoßen. Die Idee dahinter ist simpel: Statt die Informationen auf einem Papierzettel abzugeben und einen zweiten abzuheften, sollen sie auf das Smartphone übertragen werden. Die Kunden müssen sich dazu die zugehörige App „Admin“ herunterladen, die Händler müssen das neue System in ihre Kassen integrieren.
A&G-Chef Amir Karimi zumindest ist sich bereits sicher, dass sein Konzept den Handel nachhaltig verändern wird. „Wir schaffen eine digitale Schnittstelle zwischen Geschäft und Verbraucher, senken Kosten und beschleunigen den Kaufvorgang an der Kasse“, sagt er. Die Übertragung des digitalen Kassenbons soll dann mittels Nahfeldkommunikation über ein NFC-Lesegerät erfolgen. Der Kunde hält sein Handy kurz an das Gerät und die Daten werden auch ohne mobile Internetverbindung übertragen.
Den Händlern verspricht A&G dabei Ersparnisse und Erleichterungen: So spare der Handel vor allem Geld für Papier, Farbrollen und die Wartung der Kassengeräte. Auch der Aufwand für das Rechnungswesen werde deutlich geringer, da sich mithilfe der A&G-Software die Daten direkt für die Buchhaltung freigeben lassen. Eine langfristig besonders interessante Möglichkeit skizziert A&G mit Blick auf die Kundenanalyse: „A&G will den Händlern auch DSGVO-konform anonymisierte Kundendaten für die Auswertung zur Verfügung stellen – also beispielsweise, welche Korrelationen es zwischen bestimmten Käufen gibt“, so die A&G-Sprecherin. Ab wann es das gibt und ob es etwas kosten wird, kann A&G noch nicht mitteilen.
Doch neben der Natur und der Buchhaltung soll die Software-Lösung auch für die Nerven der Kunden und Einzelhändler da sein: Kleine Convenience-Features wie automatische Erinnerungen an Abläufe von Umtausch- und Garantiefristen sollen Reklamationen und Rückgaben erleichtern.
In den Markt gedrückt werden soll die Softwarelösung bisher vor allem mittels B2B-Kommunikation. „Wenn einige große Händler mitziehen, dann wird sich das schnell durchsetzen“, so A&G. Einige Verträge seien bereits unterschrieben. Mit wem, dürfe noch nicht verraten werden, „aber wir haben errechnet, dass es sich um ein Umsatzvolumen von jährlich 98 Milliarden Euro handelt“. Und die Kosten? Die würden beim Händler zumindest für die Anschaffung und Installation nicht anfallen. „Eine normale Registrierkasse hat den notwendige technische Ausrüstung bereits“, erklärt die Sprecherin. Sollte etwas zusätzlich installiert werden müssen, übernehme A&G das. Abgerechnet wird dann pro Käufer, eine Transaktion kostet einen Cent. „Das ist immer noch weit billiger als gedruckte Bons“, versichert die Unternehmenssprecherin. „Die liegen bei rund drei Cent pro Stück.“
Laut Schätzungen der Bundesregierung führen Manipulationen mit elektronischen Kassensystemen und Zappern zu Steuerausfällen von zehn Milliarden Euro. Deshalb hatte der Bundesrechnungshof über zehn Jahre lang Maßnahmen angemahnt, um Steuerbetrug mit Mogelkassen in Läden oder Kneipen einen Riegel vorzuschieben. Nach mehr als zwei Jahren des Ringens konnten sich Bund und Länder 2016 auf ein Gesetz einigen, das zwar die verbindliche Abgabe von Bons aus Registrierkassen vorschreibt, jedoch keine allgemeine Kassenpflicht beinhaltet.
Mit der neuen Bonpflicht müssen die Betriebe für alle Bargeldgeschäfte unaufgefordert einen Beleg an ihre Kunden aushändigen. Das gilt ab 2020 auch in Apotheken für alle OTC- und Freiwahlverkäufe. Nach dem Gesetzentwurf des damaligen Finanzministers Wolfgang Schäuble (CDU) soll Ladenkassenbetrug von 2020 an mit einer neuen Sicherheitstechnik eingedämmt werden. Ladenbesitzer mit elektronischen Registrierkassen oder Aufzeichnungssystemen müssen künftig über eine zertifizierte Sicherheitseinrichtung verfügen. Der Gesetzentwurf schreibt dafür keine bestimmte Technik vor.
Ältere, nicht nachrüstbare Registrierkassen dürfen zudem bis Ende 2022 weiter betrieben werden. Neu angeschaffte Geräte müssen demnach von 2020 an über eine manipulationssichere technische Sicherheitseinrichtung verfügen, die mit dem ersten Tastendruck alle Eingaben in das System unveränderlich und verschlüsselt erfasst.
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