Streit um Identifizierungsverfahren

Aachen: Amtsapothekerin stoppt Portal für Impfzertifikate

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Berlin -

Dass es bei der Ausstellung digitaler Impfzertifikate über das DAV-Portal vor allem zu Beginn ziemlich ruckeln würde, war Apotheker Dr. Milad Khosravani von Anfang an klar, wie er sagt. Ebenso, dass es einen gehörigen Ansturm geben würde. Also bereitete er sich für den Ernstfall vor und setzte ein eigenes Portal auf, dass die Ausstellung erleichtern sollte. Doch damit rief er Mitbewerber auf den Plan: Einer davon meldete ihn bei der Amtsapothekerin, die ihm seine Lösung Marke Eigenbau untersagte – für ihn ein weiterer Beweis dafür, wie innovative Apotheken ausgebremst werden.

„Das Portal funktioniert nicht richtig, aber hunderte Menschen kommen bei 35 Grad mit Maske in die Apotheke und wollen ihre digitalen Impfzertifikate“: Khosravani hatte die aktuelle Situation schon vergangene Woche abgesehen und sich deshalb vorbereitet. „Wir hatten die Idee, das über eine eigene Website abzuwickeln, und hatten die technischen Möglichkeiten bereits in der Schublade, deshalb konnten wir das sehr schnell und sehr gut umsetzen“, sagt er. Seit Dienstag bot er deshalb auf der Domain Digiausweis.de eine eigene Lösung zur Ausstellung der Impfzertifikate in seiner Karolinger Apotheke in Aachen: Die Kunden geben ihre Daten auf der Seite ein und müssen dann mit dem sogenannten Videoident-Verfahren ihre Daten bestätigen. Dabei müssen sie nach einem festgelegten Ablauf Personalausweis und Impfausweis in die Kamera halten, während ihr Gesicht die gesamte Zeit zu sehen ist. Zum Ablauf gehört auch das Schwenken des Personalausweises, um das Vorhandensein des Hologramms zu belegen.

Für Khosravani sind die Vorteile klar: Nicht nur entzerrt es den Prozess in der Apotheke und gibt die Möglichkeit, Zertifikate bei einem der vielen Fehler oder Portalausfällen auf spätere Zeiten zu verlegen. Unter Umständen sei es sogar noch sicherer als die Übertragung vor Ort: „Es staut sich und staut sich, die Menschen stehen in der Hitze Schlange und drängeln. Dann unterlaufen einem doch bei der Eingabe der Daten viel schneller Fehler, als wenn man in Ruhe im Backoffice sitzen und das sorgfältig prüfen kann. Und was sollen eigentlich immobile Menschen machen? Wie kommen die an ein digitales Impfzertifikat?“

Doch Khosravani hat sich mit dem Angebot offensichtlich auch Gegner gemacht. Ein anderer Apotheker meldete ihn bei Amtsapothekerin Dr. Andrea Müller. „Am Donnerstag, Punkt auf die Minute zur Öffnungszeit rief sie mich an und schickte mir parallel eine E-Mail“, erzählt er. Sie bitte ihn, die Website umgehend zu schließen, da sie „nicht den Gesetzen zum Ausstellen Impfausweisen unter Berücksichtigung von Missbrauch“ entspreche, schreibt sie in der Mail. „Der Impfausweis enthält vorne den Namen und erst hinten den Impfnachweis. Das ist leider digital nicht eindeutig überprüfbar.“ Darunter übermittelte sie einen Passus der zugehörigen Bundestagsdrucksache – aus der allerdings gar nicht hervorgeht, dass das gewählte Verfahren unzulässig wäre. Es seien „geeignete Maßnahmen zu treffen, um eine missbräuchliche Ausstellung etwa aufgrund der Vorlage gefälschter Impfnachweise zu unterbinden.“ Genau das hat Khosravani allerdings nach eigener Darstellung getan. „Videoident ist ein vom Bundesgerichtshof als zulässig erklärtes Identifikationsverfahren“, wendet er ein. „Dass das nicht akzeptiert wird, ist doch lächerlich! Wir zwingen die Menschen in die Apotheke und dürfen nicht auf ein bewährtes System zurückgreifen aus Angst vor Digitalisierung und DocMorris.“

Tatsächlich ist Videoident vor allem im Finanzsektor bereits seit Jahren ein etabliertes Authentifizierungsverfahren, das bei Vertragsschlüssen aller Art genutzt wird. Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (DiRUG) will das Bundesjustizministerium das Verfahren sogar für notarielle Beglaubigungen und Unternehmensgründungen zulassen.

Ein weiterer Kritikpunkt: Das Onlineverfahren kann prinzipiell von überall durchgeführt werden. „Um eine missbräuchliche Ausstellung zu vermeiden, soll eine Ausstellung in der Regel nur erfolgen, wenn die Impfung in räumlicher Nähe [...] erfolgt ist“, ließ ihn die Amtsapothekerin in ihrer E-Mail wissen. Auch diesen Einwand hält er jedoch für nicht angebracht: „Was ist, wenn jemand bei mir in der Apotheke steht, der nicht in der Nähe geimpft wurde? Dann stelle ich das auch bloß an seinen Dokumenten fest – das ist beim Videoident-Verfahren kein bisschen anders!“ Allerdings geht aus einem gemeinsamen Rundschreiben von Kammer und Verband Nordrhein hervor, dass die zumindest die beiden Standesvertretungen die Online-Identifizierung ablehnen: „Die Ausstellung des digitalen Covid-19-Impfzertifikates aufgrund von elektronisch übermittelten Impf- und Ausweisdokumenten ist nicht zulässig“, heißt es darin, ohne dass es eine Rechtsgrundlage für die Auffassung erläutert wird. Trifft es aber zu, wäre damit auch die Nutzung von Telepharmazieangbeoten wie das von Apomondo rechtswidrig.

So oder so: Das Wort der Amtsapothekerin ist einzuhalten und was passiert, wenn er sie ignoriert, ließ sie ihn unmissverständlich wissen: „Eine Weiterführung dieser Webseite könnte rechtliche Konsequenzen haben.“ Der Inhaber nahm die Seite noch am Donnerstagmorgen vom Netz. Müller war für eine Stellungnahme zu dem Vorgang am Freitag nicht zu erreichen. Khosravani verteidigte sein Portal gegenüber der Amtsapothekerin, verwies darauf, dass Videoident ein nachgewiesen sichereres Authentifizierungsverfahren sei. Er solle ihr nun schriftlich nachweisen, dass das der Fall ist. Das will Khosravani jetzt tun – und hoffen, dass er das Angebot wieder ans Netz nehmen darf: „Die Amtsapothekerin hat hier die einmalige Gelegenheit, jungen und innovativen Apothekern unter die Arme zu greifen, Fortschritt voranzutreiben und nicht auf Zuruf ständig Dinge zu verbieten“, sagt er.

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