Michael Lohse führt die Pelikan-Apotheke im sächsischen Marienberg. Auf der Suche nach einem Approbierten für seine Apotheke musste er tief in die Tasche greifen. Um einen Pharmazeuten aufs Land zu locken, bot er in einer Stellenanzeige nicht nur ein Tarifgehalt an, sondern versprach 70 Prozent draufzulegen. Immerhin hatte er damit Erfolg.
Während Apothekeninhaber potenzielle Bewerber immer öfter mit ausgefallenen Anzeigen in sozialen Medien auf sich aufmerksam machen wollen, ist die Anzeige von Lohse in höchstem Maße schlicht: „Wir suchen zur Verstärkung unseres Teams freundlichen und zuverlässigen Apotheker in Voll- oder Teilzeit“, steht dort. Kontaktdaten. Fertig ist die Anzeige. Doch dazwischen findet sich ein kleiner Einschub, der das wohl entscheidende Argument für Pharmazeuten liefern soll, schon ganz bald in der Pelikan-Apotheke anzufangen: Bezahlung 70 Prozent über Tarif.
„Tja, was soll man machen“, sagt der Apotheker. „Der Markt regelt die Preise. Und hier an der Grenze zu Tschechien ist es extrem schwierig, Approbierte zu finden.“ Bis Dresden sind es 75 Kilometer. Bis zur nächstgrößeren Stadt Chemnitz immerhin noch 30. Aber diese Strecke wolle niemand mehr für ein Standard-Gehalt fahren, weiß der Pharmazeut.
Vor einigen Monaten hat die einzige angestellte Apothekerin im Team gekündigt. Seitdem war Lohse auf der Suche. Zunächst vergeblich. „Zwar habe ich noch einige Pharmazieingenieure aus den DDR-Zeiten im Team“, sagt er. Wenn sie aber in den nächsten Jahren in Rente gehen, werde sich der Fachkräftemangel im Osten nochmals spürbar verschärfen.
Im März 1994 hat Lohse die Pelikan-Apotheke in Marienberg, einer rund 13.600 Einwohner großen Kreisstadt unweit der tschechischen Grenze, neu gegründet. Inzwischen führt er nach eigenen Angaben ein Team von 14 Mitarbeitern. Außerdem lässt die Pelikan-Apotheke unter dem Markennamen Docpelin eigene OTC-Medikamente herstellen.
Doch auch für eine erfolgreiche Apotheke hat es sich als schwierig erwiesen, Fachkräfte zu finden. Eine erste Anzeige – noch ohne das Hammer-Angebot – habe nichts gebracht. „Es hat sich einfach keiner gemeldet“, berichtet Lohse. Der Apotheker hat allerdings durchaus Verständnis für diejenigen Kollegen, die weder in einer kleinen grenznahen Stadt leben noch längere Strecken für ein durchschnittliches Gehalt fahren wollen. „Wenn man auch noch berücksichtigt, dass man als Apotheker auch Samstag arbeiten und Notdienste leisten muss, ist der Tariflohn im Gehaltstarifvertrag nun wirklich nicht hoch“, meint er.
Deshalb habe er den Entschluss gefasst, einen satten Aufschlag von 70 Prozent auf den Tariflohn anzubieten. Dabei gilt der Gehaltstarifvertrag in Sachsen gar nicht. Ein Approbierter mit zwei bis fünf Jahren Berufserfahrung würde mit dem Aufschlag statt 3469 Euro monatlich stolze 5897 Euro bekommen. Doch eine solche Lösung stellt nicht für jede Apotheke den Ausweg aus der Fachkräftemisere dar. „Das ging natürlich nur, weil ich keine Filialapotheken habe und keine weiteren Approbierten beschäftige“, sagt Lohse. Denn sonst hätte er entweder allen approbierten Mitarbeitern das hohe Gehalt anbieten oder mit unzufriedenen Angestellten leben müssen.
Seine Strategie ging auf. Schon zwei Wochen nach Erscheinen der Anzeige konnte sich Lohse über einen neuen Mitarbeiter freuen. Noch muss der Apothekeninhaber sich etwas gedulden. Denn sein Mitarbeiter ist noch in einer anderen Apotheke angestellt. Doch in einigen Wochen wird er hinter dem HV-Tisch der Marienberger Pelikan-Apotheke stehen.
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