In Krisenzeiten muss man manchmal umsatteln, um über die Runden zu kommen. Ganz so schlimm ist es bei den Sander-Apotheken in Bremerhaven nicht, aber Inhaber Thomas Anthes hat sich mittlerweile fast ein zweites Standbein aufgebaut: als Manufaktur für Desinfektionsmittel. Bis zu 550 Liter produziert er am Tag und versorgt damit die ganze Region, von kleinen Firmen bis zu großen Behörden. Eine besondere Anlage hat er dafür nicht, dafür aber viel Improvisationsfähigkeit.
„Manchmal habe ich den Eindruck, ohne uns würde die Welt stillstehen“, sagt Anthes mit amüsiertem Unterton. Und tatsächlich, zumindest in der Region Bremerhaven haben mittlerweile viele Anthes und seinem Team zu danken: Er beliefert nicht nur Praxen und Kliniken, sondern auch den öffentlichen Personennahverkehr, die Müllabfuhr, kleine Firmen und Handwerksbetriebe sowieso zuletzt sogar das Gesundheitsamt Bremen. Für das haben Anthes und sein Team die bisher größte Tagesproduktion von 550 Litern gestemmt.
Und die gesamte Produktion ist Handarbeit, große Misch- oder Abfüllmaschinen haben die Sander-Apotheken nicht. „Das machen wir hier wie ein Manufakturbetrieb – wie Labor, nur in Groß“, sagt Anthes. „Wir stellen das alles in Kanistern und Fässern her. Das wird abgemischt, dann einmal den Gang runtergerollt und dann ist es ordentlich durchgemischt. Am Ende muss es noch 72 Stunden lagern und fertig ist es.“
Die Produktion hat Anthes quasi aus dem Stegreif aufgebaut, geplant war es nicht. „Wir haben auch klein angefangen, aber der Markt ist leergefegt und wenn du dir nicht selbst hilfst, macht es keiner“, erzählt er. „Wir haben damit angefangen für ein paar Kunden herzustellen. Dann hat sich das aber herumgesprochen und es kamen immer mehr Firmen.“ Für Anthes und sein Team hat es den Vorteil, die derzeitige Flaute zu überbrücken. Denn der Kundenansturm habe in den letzten Tagen spürbar nachgelassen. „Damit beschäftige ich meine Mitarbeiter, viel zu tun ist ja im Moment sonst nicht.“
„Vergangene Woche standen die Leute hier noch in Dreierreihen in der Offizin“, erinnert er sich. „Da hatte ich sogar eine Mitarbeiterin abgestellt, die dafür gesorgt hat, dass die Kunden da die Abstände einhalten.“ Doch seit die öffentlichen Sicherheitsmaßnahmen angezogen wurden, sei Flaute in seiner Hauptapotheke in einer Fußgängerzone, die hauptsächlich von der Laufkundschaft lebt. Blicke man heraus, sei dort gähnende Leere. Die Produktion von Desinfektionsmitteln sei deshalb ein willkommenes Zubrot, „am langen Ende davon leben kann ich aber nicht“, sagt Anthes.
Immerhin kann er sich bisher nicht über mangelnden Nachschub beschweren. „Am Anfang haben wir mit Isopropanol gearbeitet, aber dann hatten wir den Markt hier leergekauft.“ Mittlerweile kaufe er Ethanol für die Desinfektionsmittel bei Brennereien und Spirituosenherstellern im ganzen Bundesgebiet. Derzeit größter Lieferant sei der Spirituosenhersteller Beckschulte im Münsterland. Und dem geht es in gewisser Weise ähnlich wie den Sander-Apotheken. Der Schnapshersteller war auch nicht darauf vorbereitet, jetzt an Apotheken zu verkaufen, wie man an den Lieferungen unschwer erkennen kann: „Die liefern uns palettenweise 0,7-Liter-Schnapsflaschen.“
Auf mehr technische Möglichkeiten konnte die Marien-Apotheke im bayerischen Neukirchen beim Heiligen Blut zurückgreifen: Sie versorgt eigentlich zwei Hautkliniken und hat darum allerlei Maschinen zur Herstellung von Cremes, Ölen und Salben. Erst kürzlich hatte sich der Familienbetrieb deshalb einen 300 Liter großen Prozesskessel zugelegt – doch dann begann die Corona-Krise. Jetzt stellen sie in dem Kessel ebenfalls täglich hunderte Liter Desinfektionsmittel her.
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