Einzelimporte

51.000 Euro: „Genehmigt wie beantragt“ – und trotzdem retaxiert Nadine Tröbitscher, 26.01.2018 10:00 Uhr

Berlin - 

Retax trotz Genehmigung: Eine Apothekerin aus Bad Oeynhausen bekam einen Riesenschreck, als sie das Einschreiben mit Rückschein der AOK Hessen öffnete. Es handelte sich um eine Retaxation in Höhe von 51.255,48 Euro.

Es geht um eine Verordnung über den Lipidsenker Lojuxta (Lomitapid, Aegerion). Das Arzneimittel wird neben einer fettarmen Ernährung und anderen lipidsenkenden Arzneimitteln zur Behandlung der homozygoten familiären Hypercholesterinämie (HoFH) eingesetzt. Lamitapid ist ein selektiver Hemmstoff des mikrosomalen Triglycerid-Transfer-Proteins (MTP). Die EU-Zulassung hatte Lojuxta 2013 erhalten, doch nachdem der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) dem Arzneimittel keinen Zusatznutzen zusprach, verschwand das Medikament vom deutschen Markt.

Daher ist Lojuxta nur noch als Einzelimport durch die Apotheke verfügbar. Grundlage bildet § 73 Absatz 3 Arzneimittelgesetz (AMG). Bei dem Arzneimittel handelt es sich um einen Hochpreiser. „Medikamente in dieser Preisordnung haben wir noch nie geliefert“, erzählt die Apothekerin. Bestellung und Abgabe seien keine Routine und hätten viel Herzblut und Zeit verlangt.

Die Apothekerin wollte alles richtig machen, um ja keine Retaxation zu kassieren, und beantragte bei der AOK die Kostenübernahme für Lojuxta 20 mg und 10 mg zu je zwei Packungen. Dabei gab sie den Apothekeneinkaufs- sowie den Bruttoabgabepreis an. Auch den Rabatt gab sie weiter, denn die geringere Stärke wurde ohne Berechnung geliefert.

Laut AOK ist keine Genehmigung nötig: Es reiche, lediglich den Einkaufspreis und den Lieferanten anzugeben. Für die Kundin werde das Arzneimittel sowieso immer genehmigt, der Preis spiele keine Rolle, teilte die Kasse telefonisch mit. Die Apothekerin wollte sich darauf jedoch nicht verlassen und forderte einen schriftlichen Beleg, den sie schließlich auch bekam. „Genehmigt wie beantragt“, stand da. Details zur Abrechnung enthielt das Genehmigungsschreiben jedoch nicht.

So wähnte sich die Apothekerin in Sicherheit, das Arzneimittel wurde in England bestellt und schließlich nach zwei Tagen aus Neapel geliefert. Eine Bestellung über die Internationale Apotheke (Ilapo) ist nicht möglich, es gibt nur einen Lieferanten.

Acht Monate später flatterte die Retaxation ins Haus. „Preisberechnung nicht nachvollziehbar – bitte Rechnungskopie zur Überprüfung nachreichen“, lautete die Begründung. Ein „Riesenschreck“ für die Apothekerin, die sich kurz darauf mit der Kasse in Verbindung setzte. „Wir machen das immer so“, soll der Mitarbeiter der AOK entgegnet haben. Es handele sich lediglich um eine „Formsache“. Denn: Die Apothekerin hatte versäumt, den Einkaufspreis und den Importeur auf der Vorderseite des Rezeptes anzugeben. Die angetackerte Kostenübernahme genügte der Kasse nicht. Anhänge würden nicht beachtet. „Auf der Genehmigung war kein Hinweis, dass wir die Angaben auf der Verordnung machen müssen“, erklärt die Apothekerin das Versäumnis.

Die Apotheke hat nun die Rechnung und die Genehmigung an die AOK weitergeleitet. Die Chancen stehen gut, die Retaxation abzuwenden. Gegenüber APOTHEKE ADHOC spricht die Kasse von einem „Missverständnis“, das geklärt werden kann. Apotheken sollten bei Einzelimporten den Einkaufspreis und den Lieferanten stets auf der Vorderseite des Rezeptes angeben. Die Apothekerin ist enttäuscht über das Vorgehen der Kasse, auch wenn sich voraussichtlich alles zum Guten wenden wird. „Ein so hochpreisiges Medikament ist doch nicht nur für die Apotheke, sondern auch für die Krankenkasse ein Sonderfall. Das hätte man auch anders regeln können.“ Vor allem miteinander – die Apothekerin hätte sich gewünscht, dass die zuständigen Mitarbeiter der Kasse einfach in der Apotheke angerufen hätten.

Rezepte mit Lojuxta werden in der Apotheke nun alle zwei bis drei Monate erwartet. Für die Folgeverordnungen hat die Kasse eine Art „Dauergenehmigung“ erteilt, die man sonst nur aus der Hilfsmittelversorgung kennt.

Grundsätzlich dürfen in Deutschland Arzneimittel in den Verkehr gebracht werden, die eine Zulassung für den nationalen Markt haben. Ist in Deutschland ein vergleichbares Arzneimittel in puncto Wirkstoff und Wirkstärke für die entsprechende Indikation auf dem Markt, darf nicht importiert werden. Importiert werden kann auf Kundenwunsch oder ärztliche Verschreibung. Es können sowohl Privat- als auch Kassenrezepte beliefert werden.

Der abzurechnende Preis wird nach Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) berechnet. Er ergibt sich aus: Apothekeneinkaufspreis + 3 Prozent + 8,35 Euro + 0,16 Euro. Auf diesen errechneten Verkaufspreis werden 19 Prozent Mehrwertsteuer aufgeschlagen. Zuletzt war vor Gericht ein Streit darüber entbrannt, wie hoch der Einkaufspreis bei Einzelimporten sein darf. Wird das importierte Arzneimittel zu Lasten der Krankenkasse abgerechnet, muss für verschreibungspflichtige Arzneimittel die Sonder-PZN 09999117 aufgedruckt werden.