Forxiga (Dapagliflozin) ist eines der Arzneimittel, denen Apotheken stets hinterherlaufen müssen: Beim Großhändler immer ausverkauft, bei Pharmamall kontingentiert. Viele Kollegen rieben sich deshalb die Augen, als sie nun eine Preissteigerung um bis zu 54 Prozent auf den Apothekenverkaufspreis (AVP) feststellten. Schnell machten Gerüchte die Runde, AstraZeneca wolle damit Graumarktexporte eindämmen, befeuert wohl auch durch den eigenen Kundendienst. Doch das ist mitnichten der Fall, stellt der Konzern nun klar – und behauptet, dass es bei dem Diabetesmedikament keine Lieferprobleme gäbe.
Als er die Preissteigerung gesehen hat, habe er sich „erst einmal neutral erschrocken“, sagt Christian Pöppl, Inhaber der Nordgau-Apotheke in Regensburg. Neutral deshalb, weil er im ersten Moment nicht wusste, ob das nun ein Grund zur Freude ist oder nicht. Einerseits bedeutet es einen Lagerwertgewinn – und der ist schließlich selten genug. Andererseits kommt er ohnehin kaum an nennenswerte Mengen Forxiga, die er benötigen würde. „Ich habe sowieso erst einmal an einen Systemfehler geglaubt, denn das kam ja schon öfter vor“, erzählt er. „Also habe ich bei AstraZeneca angerufen. Da wurde mir die Preissteigerung bestätigt und gesagt, dass dadurch Graumarktexporte eingedämmt werden sollen.“ Die Logik: Steigt der Preis in Deutschland erheblich, rentiert sich ein Export entsprechend weniger. Dadurch könnte mehr Ware im deutschen Markt bleiben.
Doch so einfach ist es nicht, denn AstraZeneca kann den Preis eines AMNOG-Arzneimittels nicht einfach ändern. „Grund für die Preissteigerung ist nicht die Sicherstellung der Lieferfähigkeit von Forxiga und Xigduo, sondern das Ergebnis verpflichtender Preisverhandlungen zwischen dem GKV-Spitzenverband und AstraZeneca nach den erfolgreichen Nutzungsbewertungsverfahren in 2019“, teilt der Konzern auf Anfrage mit. Denn der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hatte im Oktober und Dezember zwei Nutzenbewertungsverfahren zum Wirkstoff Dapagliflozin und Dapagliflozin/Metformin bei Typ-1- und Typ-2-Diabetes bei Patienten mit hohem kardiovaskulärem Risiko abgeschlossen. Die Kombination hat AstraZeneca unter dem Markennamen Xigduo am Markt. „Der festgestellte Zusatznutzen bildet die Grundlage für die Preisanpassung von Forxiga und Xigduo“, so der Hersteller.
Und diese Anpassung ist erheblich: Derzeit sind Forxiga und Xigduo mit 36,51 Euro für die 28er- beziehungsweise 100,85 Euro für die 98er-Packung gelistet. Zum 15. August gelten nun neue Preise: Forxiga 5mg und 10mg kosten dann 52,18 EUR für die 28er- und 155,70 Euro 98er-Packung. Das entspricht einer Steigerung von 43 und 54 Prozent. Daraus ergeben sich Tagestherapiekosten (TTK) von 1,86 Euro in der 28er- und 1,59 Euro in der 98er-Packung. Für Xigduo gelten die entsprechenden Preise für die 56er- und die 196er-Packung, also TTK von 1,86 Euro und 1,59 Euro. „Diese Tagestherapiekosten liegen dabei immer noch deutlich unterhalb der TTK für Vergleichspräparate von Wettbewerbern“, so AstraZeneca.
Mag es auch nicht die Absicht hinter der Preissteigerung sein: Pöppl hat trotzdem die Hoffnung, dass sich mittelfristig etwas an der Lieferfähigkeit ändern könnte. „Ich denke schon, dass das funktionieren könnte, weil der Preissprung so groß ist und es sich dann nicht mehr lohnt, aus der Preisspanne Gewinn zu schlagen“, sagt er. Denn bisher sei es ein stetiger Kampf. „Beim Großhandel ist das ständig ausverkauft, ich kriege es nur über Pharmamall. Die führen aber akribisch Buch und ich erhalte im Monat nur fünf Packungen, obwohl ich eigentlich in der einen Apotheke zehn und in der anderen fünf bräuchte. Ich bin ständig am Limit.“
Beim Hersteller klingt das allerdings etwas anders. „AstraZeneca wird auch weiterhin voll lieferfähig für unsere Produkte Forxiga und Xigduo sein“, so der Konzern. „Wir haben eine robuste Lieferkette. Die uns zur Verfügung stehenden Mengen allokieren wir patientenbedarfsbezogen auf den Großhandel und dessen Niederlassungen.“ Falls „einzelne Großhändler lokal und temporär unsere Arzneimittel nicht liefern können“, stehe Apotheken in Notfällen die Möglichkeit von Direktbestellungen über den Webshop bei Pharmamall oder bei Specialty-Care-Arzneimitteln wie Onkologika über den Spezialgroßhandel Virion zur Verfügung.
Dass es bei Forxiga regelmäßig zu Lieferschwierigkeiten kommt, hatte der frühere Deutschlandchef Dirk Greshake allerdings schon vor knapp vier Jahren eingeräumt und dabei ebenfalls auf den Export verwiesen. „Wir haben keine andere Erklärung für die aktuelle Situation, als dass der Großhandel oder Apotheker die Ware in erheblichem Ausmaß in andere europäische Länder exportieren. Aufgrund der attraktiven Margen besteht dazu ein großer Anreiz“, so Greshake. Dementsprechend zeigt sich AstraZeneca nun verhalten optimistisch, dass sich die Situation angesichts des Preissprungs entspannen könnte. „Wir erwarten jedoch, dass sich die Belieferung der Apotheken durch den Großhandel verbessert, da der tatsächliche Bedarf für den deutschen Markt adäquater über den Großhandel abgedeckt werden kann.“
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