Wertgutscheine von 50 Cent für den Besuch einer Apotheke sind aus Sicht des Landgerichts Lüneburg in Ordnung – selbst wenn diese auch bei der Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel ausgegeben werden. Das Bonusmodell von Apotheker Dirk Düvel wurde von den Richtern für zulässig erklärt, die Klage einer Kollegin in erster Instanz abgewiesen. Offenbar setzen die Richter die Gutscheine mit geringwertigen Kleinigkeiten wie Papiertaschentüchern oder Hustenbonbons gleich.
Seit dem EuGH-Urteil ist die Debatte um Rx-Boni neu entfacht, weil sich ausländische Versandapotheken nicht mehr an die Preisbindung halten müssen. Preisaktive deutsche Apotheken sowie Versender würden gerne dagegen halten und ihren Kunden zumindest kleine Vorteile bieten. Doch das ist – zumindest aktuell noch – verboten. Die SPD würde den Apothekern gern einen gewissen Spielraum bei Rx-Boni einräumen.
Doch schon heute gibt es Apotheken, die sich mit ihren Bonusmodellen an die Grenze begeben. In den Wir leben-Apotheken von Dirk Düvel in Lüneburg und Umgebung erhalten die Kunden für jeden Besuch einen Wertgutschein in Höhe von 50 Cent. Diesen können sie später beim Kauf von OTC-Arzneimitteln oder Freiwahlprodukten einlösen. Eine Kollegin aus Winsen hatte einen Testkäufer geschickt und damit belegt, dass die Gutscheine auch bei der Rezepteinlösung herausgegeben werden.
Das Gericht hat den Antrag der klagenden Apothekerin abgewiesen. Die Gewährung der Wertgutscheine verstoße nicht gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften, so das Landgericht Lüneburg. „Denn Kunden werden hierdurch nicht unsachlich beeinflusst, bestimmte Arzneimittel auszuwählen, weil der Wertgutschein nicht nur beim Kauf einzelner Produkte, sondern bei jedem Erwerb verschreibungspflichtiger Medikamente gewährt wird.“
Zudem werde die Entscheidung des Verbrauchers, welche Apotheke er aufsuche, durch den Wertgutschein „nicht wesentlich beeinflusst“. Vielmehr treffe der Verbraucher seine Wahl auf Grund einer Vielzahl anderer Kriterien wie etwa Erreichbarkeit, Verfügbarkeit von Medikamenten und Beratungskompetenz.
Der Bonus von 50 Cent spiele „allenfalls eine untergeordnete Rolle“, begründet das Gericht. Andere Apotheken würden in ihrer wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeit dadurch nicht eingeschränkt. „Letztlich ist der Wertgutschein, so das Ergebnis der Kammer, nicht anders zu bewerten als andere geringwertige Zugaben wie Papiertaschentücher oder Hustenbonbons“, so das Gericht.
Die mündliche Verhandlung in dieser Sache hatte am 9. März 2017 stattgefunden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Klägerin kann innerhalb eines Monats Berufung einlegen, über die das Oberlandesgericht Celle (OLG) zu entscheiden hätte.
Überrascht war Rechtsanwalt Christian Karle von der Kanzlei Dr. Schmidt-Felzmann & Kozianka nicht nur von der Entscheidung des Gerichts. Dem Vertreter der klagenden Apothekerin liegen nach eigenen Angaben die Urteilsgründe noch nicht vor. Auch Düvels Anwalt Dr. Morton Douglas von der Kanzlei Friedrich Graf von Westphalen kennt bisher nur den Tenor der Entscheidung.
Der Wortlaut der Urteilsbegründung wird jetzt mit Spannung erwartet. Denn die erste Mitteilung des Gerichts liest sich, als würde sich das Landgericht auf die sogenannte Bagatellschwelle beziehen. Geringwertige Kleinigkeiten wären demnach als Zugaben auch bei der Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel zulässig.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte 2010 eine solche Bagattellgrenze bei einem Wert von einem Euro gesehen. Allerdings wurden das Heilmittelwerbegesetz (HWG) anschließend verschärft und Rx-Boni allgemein verboten. So hält es auch die Apothekerkammer Niedersachsen nach wie vor. In ihrer Funktion als Aufsichtsbehörde ist die Kammer schon eingeschritten: Gegenüber Düvel wurde eine Untersagung ausgesprochen, nachdem zuvor eine Anhörung stattgefunden hatte.
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