42 Dosen bestellt, 2 Vials erhalten APOTHEKE ADHOC, 16.04.2021 15:26 Uhr
Die gerechte Verteilung der Impfstoffe kommt manchen Ärzt:innen ganz und gar nicht fair vor. Apotheken müssen vielerorts erklären, warum die bestellte Menge von der tatsächlich zugesagten abweicht. Es kann nur besser werden. Für KW 17 sind laut Bundesgesundheitsministerium (BMG) rund 1,5 Millionen Dosen angekündigt.
Ab kommender Woche erhalten Apotheken erstmals zwei Corona-Impfstoffe vom Großhandel. Insgesamt sollen die Apotheken die zugesagten 462.150 Dosen von Biontech sowie 554.400 Dosen von AstraZeneca an die Ärzt:innen verteilen. Die Gesamtzahl liegt dabei auf dem Niveau der Vorwoche, allerdings wurde da nur Comirnaty ausgeliefert. Dass die Praxen jetzt nicht die bestellten Vials von Biontech bekommen, sorgt oft für Diskussionen.
Auch Apotheker Dr. Benjamin Lieske von der Ickerner Markt-Apotheke in Castrop-Rauxel erhielt eine gekürzte Zusage. Er beliefert einen Arzt mit Impfstoff. Statt der bestellten Höchstmenge wird er vom Großhändler nur jeweils ein Vial erhalten. Lieske kann darüber schmunzeln. „Wir werden die beiden Fläschchen auf einem vergoldeten Samtkissen auf die andere Straßenseite bringen.“ Der logistische Aufwand sei riesig. „Das kriegen wir hin.“
Wie viele andere Ärtz:innen habe sich auch sein Mediziner mehr erhofft. „Er hätte am liebsten 200 Dosen bestellt.“ Die Erklärung, dass die Apotheken bei der Verteilung nicht mitredeten und diese nicht steuerten, habe man in der Praxis verstanden. „Natürlich ist es schlecht, dass es noch nicht genug Impfstoff gibt. Alle wollen schnell weiterkommen. Es wird aber gefühlt jede Woche mehr und geht voran“, sagt Lieske.
Auch bei Apotheker Klaus Wilhelm aus Stockheim in Franken gab es mehrfach Kürzungen. „In jeder Filiale ist die Zuteilung anders verlaufen. Das scheint ein Würfelspiel zu sein.“ Im Schnitt habe er pro Arzt ein Vial des Biontech- und ein Vial des AstraZeneca-Impfstoffes zugewiesen bekommen. Eine Praxis werde ein Vial AstraZeneca und zwei von Biontech erhalten. „Dass manche Praxen vom Volumen her größer sind, wird dabei nicht berücksichtigt.“ Den Inhaber der Sonnen-Apotheke ärgert, dass die Bestellung im richtigen Verhältnis Zeit koste. „Warum sollen wir das alles machen, wenn es am Ende ohnehin gekürzt wird.“
Was es bedeutet, mit Ärzten zu diskutieren, weiß auch Jennifer Stock. „Wir beliefern acht Praxen und uns wurde bei jeder die Hälfte gekürzt“, erzählt die Inhaberin der Rochus-Apotheke in Sundern. „Die würden alle gern sehr viel mehr verimpfen. Wenn sie könnten, würden sie jede Woche 100 oder 200 Dosen bestellen.“
Doch das klappt momentan nun einmal nicht. Stattdessen muss sie als Apothekerin nicht nur den Mangel verwalten, sondern ihn auch erklären. „Vor allem diese unsinnigen Kürzungen und die ganze Rechnerei dadurch führen zu einer hohen Frustration, die wir dann abkriegen“, sagt sie. „Ich glaube, das ist so, weil die Ärzte das gar nicht gewohnt sind. Die verstehen manchmal gar nicht, warum sie so wenig kriegen, und fragen mich dann, ob ich das ernst meine. Man muss viel erklären und das macht schon einen großen Aufwand.“ Hinzu komme, dass man den Impfstoff dann auch fair verteilen müsse. „Man muss dabei auch aufpassen, dass sich kein Arzt zurückgesetzt fühlt.“ Immerhin habe sie bisher keine Probleme mit Ärzten gehabt, die keinen AstraZeneca-Impfstoff wollen.
Doch Stock ist Optimistin, wie sie sagt. Sie regt sich weder über verständnislose Ärzte noch über den Großhandel auf, sondern betont, dass der Prozess selbst im Großen und Ganzen trotz aller Komplexität gut laufe. „Ich kann mich über den Großhandel nicht beschweren, ich habe bisher immer pünktlich Bescheid bekommen, wann ich wie viel wovon erhalte. Dass es mal zu Verschiebungen kommt und man hinterhertelefonieren muss, ist in der Situation ja nicht ungewöhnlich. Das eigentliche Drama ist ja der massive Impfstoffmangel.“ Und an dem könne im Moment keiner der Beteiligten etwas ändern. Stattdessen müsse man anpacken. „Das ist aufwendig, aber zu meckern bringt uns auch nicht weiter. Ich bin um jede Ampulle froh, die wir verteilen können und wir hoffen jede Woche, dass es nächste Woche besser wird.“
Auch die Großhändler haben damit zu kämpfen, dass die Prozesse noch nicht ganz eingespielt sind. So liefern die Hersteller dem Vernehmen nach nicht immer am selben Tag, sondern irgendwann am Wochenende, manchmal auch schon freitags. Das erschwere natürlich die Personalplanung bei der Kommissionierung. Alles in allem laufe es aber gut.
Die größte Schwierigkeit bleibt der Mangel an Impfstoff. Die meisten Bestellungen der Apotheken müssen gekürzt werden. Bei auffallend hohen Bestellungen fragen die Großhändler auch schon mal in der Apotheke nach. Und tatsächlich komme es immer noch vor, dass dort Vials und Dosen verwechselt würden bei der Bestellung.
Nicht nachzuvollziehen ist für Außenstehende, wie die Impfstoffe zugeteilt werden. Apotheken wurden angehalten, die generischen Bestellungen der Ärzte 1:1 aufzuteilen, und zwar bezogen auf Vials. In Dosen umgerechnet würde das einem Verhältnis von 6:10 entsprechen. Legt man die angekündigte Liefermenge zugrunde, ergibt sich ein Verhältnis von 44:55. Manche Apotheken erhalten aber sogar mehr Comirnaty als AstraZeneca.