4000 Euro Wechselprämie, Wohnung vorhanden, keine Samstagsdienste Alexandra Negt, 01.03.2022 13:05 Uhr
Allein bei der Apothekerkammer Berlin sind aktuell 140 Stellenanzeigen für PTA geschaltet. Rund 750 Apotheken gibt es in der Hauptstadt. Unter den Stellenanzeigen sind fast ausschließlich Angebote mit übertariflicher Bezahlung – auch nach der Tarifanpassung. Doch einige Apotheker:innen gehen noch weiter: Wechselprämie, maximale HV-Stunden oder reine Backoffice-Tätigkeit. Selbst das Angebot einer Wohnung wird gemacht. Doch die lange Liste zeigt den ausbleibenden Erfolg – viele Inhaber:innen suchen seit Monaten.
Berlin hat zwei PTA-Schulen, zudem ziehen viele junge Leute in die Hauptstadt. Doch im Handverkauf bleibt die PTA Mangelware. Aktuell suchen allein auf der Kammerseite 140 Apotheken Unterstützung. Um neue Kolleg:innen zu finden, müssen die Inhaber:innen etwas bieten, das über eine übertarifliche Bezahlung hinaus geht. Denn die ausschließliche Arbeit in der Offizin ist für viele offenbar nicht mehr attraktiv. Die Arbeitszeiten, die Bürokratie, das Unverständnis der Kund:innen und zum Teil auch leider immer noch das Hierarchiegefälle zwischen Apotheker:innen und PTA führen zum „Abwandern“ in andere Bereiche. Damit man bei weit über 100 Stellenanzeigen auffällt, muss bereits in der Übersicht ein deutliches Zeichen gesetzt werden.
4000 Euro Wechselprämie, keine Zertifikate
So sucht die Mühlenberg-Apotheke in Berlin-Weißensee eine PTA für mindestens 20 Stunden die Woche. Bereits in der Stellenanzeige wirbt Inhaber Veit-Thomas Meyen damit, dass zukünftige PTA keine Impfzertifikate ausstellen müssen. Auch die Inkontinenzversorgung wird nicht zu den alltäglichen Aufgaben gehören. Hilfsmittel werden ebenfalls nicht beliefert. Und über Impfungen macht man sich in der Center-Apotheke ebenfalls keine Gedanken. Für neue Kolleg:innen klingt dieses Angebot mitunter attraktiv – für viele Apothekenmitarbeitende ist die Zertifikatsausstellung einfach nur noch zeit- und nervenraubend. Wer sich für die Mühlenberg-Apotheke entscheidet, der kann auf eine Wechselprämie von bis zu 4000 Euro hoffen.
Nur Backoffice oder maximale HV-Stunden
Viele Apothekeninhaber:innen wissen, dass der HV nicht zu den Lieblingsaufgaben der PTA gehören. So wirbt die Bezirksapotheke in Friedrichshain mit der Aussage „maximal 6 Stunden HV pro Tag“. Zwei Stunden täglich können dann für Rezeptur, Ware oder andere Backoffice-Tätigkeiten genutzt werden. In der Bezirksapotheke gibt es zahlreiche weitere Möglichkeiten für PTA, sich und ihre Qualifikationen einzubringen. Wer am liebsten gar nicht mehr am Kunden arbeiten möchte, der kann sich am Standort Rotes Rathaus bewerben. Hier sucht Inhaberin Melanie Dolfen eine/n PTA für den Bereich Medizinal-Cannabis. Hier wird der oder die PTA in alle Prozesse – von der Bestellung, Abfüllung, Identitätsprüfung bis hin zur Dokumentation – miteinbezogen. „Hauptsächliche Aufgaben sind die Bereitstellung von Cannabisanforderungen, durch Arztpraxen und Patienten“, erläutert Peter Waßmuth, der für diesen Bereich zuständige Apotheker. „Hierzu verwenden wir eine eigenentwickelte Softwarelösung um der Fülle von Verordnungen nachzukommen. Die Beratung der Patienten und Ärzte erfolgt sowohl per Telefon als auch per Mail. Alle Mitarbeiter besitzen ein breites Wissen zu dem Thema Medizinalcannabis. Es gibt jedoch immer Fragen die nur unsere Mitarbeiter aus dem Berich Cannabis beantworten können und so werden sie natürlich auch zu einigen Fragen in den HV hinzugezogen.“
Bei Arbeitsplatzwechsel Wohnung vorhanden
Apotheken wie die Premium Apotheken Berlin kümmern sich sogar um eine mögliche Unterkunft. Die Entwicklung des Berliner Wohnungsmarktes führt dazu, dass zahlreiche Menschen monatelang auf der Suche nach einer passenden und vor allem bezahlbaren Bleibe sind. Ob nun Vollzeit oder Teilzeit, ob ab sofort oder später – die Premium Apotheken wollen zukünftige Kolleg:innen bei der Suche nach einer Unterkunft unterstützen und werben mit „Wohnung vorhanden“. Dabei könne die Wohnung je nach Wunsch dauerhaft, oder nur als Übergang bezogen werden, teilt die Inhaberin Heike Zweydinger mit. „Die Wohnung ist gut mit einem PTA Gehalt zu bezahlen und liegt im Friedrichshainer Kiez. Die Wohnung könnte auch von einem Paar bezogen werden.“
Auf die Frage, wie der Beruf generell attraktiver gestaltet werden könnte, antwortet die Apothekerin: „Der Beruf ist bei uns in den Premium Apotheken Berlin sehr attraktiv. Zurzeit leider vom Pandemiegeschehen überlagert!“ Die zahlreichen Aufgaben, die die Apotheken in den vergangenen zwei Jahren temporär übernommen hatten, waren oftmals eine Herausforderung. „Das Team freut sich auf rückkehrende Normalität im Berufsalltag, der bei uns sehr abwechslungsreich ist. Wenn das Honorar beziehungsweise die Vergütung pro abgegebenen Rx-Packung, die seit 2015 eingefroren ist, deutlich erhöht werden würde, könnten auch attraktivere Gehälter für jede Berufsgruppe in der öffentlichen Apotheke gezahlt werden.“