Wie viele andere Apotheken hat auch die Apotheke Hulb in Böblingen im großen Stil Fiebersäfte hergestellt, als es keine verfügbaren Fertigarzneimittel auf dem Markt gab. Mit viel Arbeitsaufwand und neben dem stressigen Arbeitsalltag stellten zwei PTA fast 400 Fiebersäfte her. Nun flatterte die erste Nullretax der IKK Classic in die baden-württembergische Apotheke und sorgte für Entsetzen und große Sorgen vor der Zukunft.
„Mit viel Aufwand und geringer Vergütung haben wir unsere Kunden im ganzen Kreis versorgt, weil nicht viele Apotheken personell dazu in der Lage waren oder auch, weil die Wirtschaftlichkeit viele davon abgehalten hat“, berichtet PTA Nadine Vette. „Für viele Kollegen war es tatsächlich auch einfacher, die Kunden in unsere Apotheke zu schicken, da bekannt war, dass wir herstellen. Wir haben die Situation gemeistert, mit viel Stress haben wir unsere Kunden versorgt, nachdem die Politik nichts unternommen hat in Anbetracht der Lieferengpässe.“
Als Dank ist jetzt die erste Null-Retax in die Apotheke geflattert, da laut der IKK classic die Dosierung fehlte. Wie bei Rezepturen auf Muster-16-Format üblich, muss eine genaue Dosierung aufgeschrieben werden, ein simples „Dj“ ist in diesem Fall nicht ausreichend. „Fiebersäfte, die als Fertigarzneimittel aufgeschrieben werden, brauchen keine Dosieranleitung, da sie nicht verschreibungspflichtig sind. Dass da im Stress Rezepte durchrutschen, die nur Dj enthalten, ist vorprogrammiert“, ärgert sich Vette.
Das Apothekenteam vermutet, dass diese Retax vermutlich nur die erste von vielen ist: „Es werden sicher noch welche folgen. Ich mache mir Sorgen, wie es weiter geht. Die IKK ist eher eine kleine Kasse, wenn die AOK jetzt noch retaxiert, weiß ich nicht, wie es demnächst mit solchen Rezepturen weitergehen soll“, so Vette. „Im Prinzip haben wir die Arbeit doch umsonst gemacht. Wie jeder Apothekenmitarbeiter weiß, ist die Dokumentation im Labor zeitfressend. Und nun wird uns das Geld gestrichen für unsere ohnehin schon nicht sehr ertragreiche Arbeit im Labor“, ärgert sich die PTA.
Plausibilität, Herstellungsprotokolle, Beschaffung von Rohstoffen und Verpackungsmaterial, Prüfung von Ausgangsstoffen und Primär- wie Sekundärpackmitteln, das Kopieren von Rezepten, Ablage der Dokumente, das sind nur einige Punkte, die es zu beachten gilt. „Auch die telefonische Rücksprache mit Arztpraxen, um zu klären, ob auch Rezepturarzneimittel abgegeben werden dürfen, ist ein Mehraufwand, der nicht so offensichtlich ist.“ Zudem mussten mitunter neue Rezepte angefordert werden, als „noch nicht klar geregelt war, dass Rezepturarzneimittel bei Verordnung eines FAM abgerechnet werden durften“.
„Man kann also sagen, pro Fiebersaft war eine Kollegin etwa eine Stunde beschäftigt. Nimmt man hier den Stundenlohn einer PTA, ist es definitiv nicht rentabel, für 23,04 Euro einen Fiebersaft herzustellen. Man dürfte meinen, dass für diesen Betrag ein Handwerker keinen Finger krumm machen würde“, so die PTA. Weiterhin sei auch ein Nachtrag der Dosierung sehr schwierig: „Momentan gibt es wieder FAM-Säfte, und die Retaxen trudeln mitunter ein halbes Jahr später ein. Wir können nicht wegen jedem einzelnen Rezept zur Praxis zurückgehen, um die Dosierung nachzutragen. Jeder ist da auch von der anderen Seite angenervt. Es wäre einfacher, wenn von der Politik verstanden würde: Wir haben im Eifer des Gefechts und unter einem erhöhten Stresslevel den Kindern und den Eltern geholfen, wenn da mal ein Dj durchrutscht, müsste Kulanz walten und keine Nullretax“, so Vette.
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