Der niederländische Konzern Redcare sucht Fachkräfte – und das in deutschen Vor-Ort-Apotheken. In einem Betrieb in Sachsen-Anhalt wurde per Telefon gezielt nach einer PTA gefragt, um diese abzuwerben. Versprochen wurden ein Willkommensbonus, „mehr Freizeit“ und „Duzkultur ohne ‚Kittel‘“.
Der Anruf kam unerwartet. Eine Frau, die mit verdeckter Nummer anrief und sich nur mit ihrem Nachnamen zu erkennen gab, verlangte gezielt nach einer PTA. Als diese ans Telefon ging, wurde ihr eine neue Stelle in Aussicht gestellt. „Ich war darauf gar nicht vorbereitet und wollte wissen, um wen es geht“, sagt die Angestellte. Angeblich sei sie von jemanden empfohlen worden. Sie gab ihre E-Mail-Adresse an. Die PTA war so baff über das Anliegen der Anruferin, dass sie gar nicht mitbekommen hat, um welches Unternehmen es eigentlich ging.
Die E-Mail kam kurz darauf. Mit ihr versuchte ein Dienstleister aus Köln, im Auftrag von Redcare Angestellte abzuwerben. „Unser Kunde bietet mehrere Möglichkeiten zur persönlichen sowie fachlichen Weiterentwicklung“, heißt es darin. Dazu zählten absolute Planbarkeit bezüglich der Arbeitszeiten, wodurch es mehr Freizeit gebe. Spontanes Einspringen sei nicht mehr notwendig. Die PTA müsse nur zweimal pro Monat samstags arbeiten. Sonntags gebe es die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten und Stunden für den Ausgleich unter der Woche zu sammeln. Das Team sei nett, die Büroräume modern und das Gehalt „überdurchschnittlich gut“.
Im Anhang der Mail befand sich ein Flyer, der einen Startbonus von 3000 Euro versprach. Gesucht werden demnach PTA und PKA. „Unsere hoch qualifizierten Mitarbeitenden sind auf herausragenden Kundenservice und pharmazeutische Betreuung spezialisiert“, heißt es. Zur Arbeit gehörten die Auswertung und Überprüfung von (E-)Rezepten, pharmazeutische Beratung, Medikationsanalyse und Wechselwirkungschecks.
Redcare wirbt mit Urlaubsgeldzahlung, betrieblicher pharmazeutischer Pension und Krankenversicherungspaket in den Niederlanden und einer Fahrtkostenpauschale. Außerdem gebe es ein „modernes Arbeitsumfeld mit Duzkultur ohne ‚Kittel‘“, wie es weiter heißt. Gesucht werden PTA für die Beratung und die Rezeptfreigabe sowie PKA für die Rezeptkontrolle und Klärfallbearbeitung. Bei einem notwendigen Umzug wird eine finanzielle Unterstützung in Aussicht gestellt. „Werde Teil unseres dynamischen Pharma Teams und gestalte gemeinsam mit uns die Zukunft der Pharmazie“, heißt es im ebenfalls mitgeschickten Jobprofil.
Die PTA in Sachsen-Anhalt besprach das Telefonat im Team und zeigte die E-Mail. Sie ist baff – so etwas hat sie in ihrer fünfjährigen Tätigkeit in der Apotheke noch nicht erlebt. Warum die Wahl auf sie gefallen ist, kann sie sich nicht erklären. Klar ist, dass ihr Name und ihr Beruf online auf der Website zu finden sind. Weil gezielte Abwerbungen vermieden werden wollen, verzichten manche Inhaberinnen oder Inhaber darauf, ihre Angestellten mit Vollnamen und Berufsbezeichnung online vorzustellen.
Ich will auf keinen Fall zu einer Online-Apotheke und bleibe lieber in meiner Vor-Ort-Apotheke.
Die Apothekerin kritisiert die Abwerbung: „Das hat mich gestern aus der Fassung gebracht“, sagt die Apothekerin. „Shop-Apotheke gräbt jetzt nicht nur am Rx- und OTC-Umsatz, sondern versucht auch noch, die Mitarbeiter abzuwerben“, sagt sie. Das Interesse der PTA weckte Redcare mit der Aktion allerdings nicht. „Ich will auf Fall keinen zu einer Online-Apotheke und bleibe lieber in meiner Vor-Ort-Apotheke.“ Damit dürfte der angekündigte zweite Anruf der Headhunterin erfolglos bleiben.
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