Nachfragen bei Arztpraxen gehören in Apotheken zum Alltag. Susanne Bormann hat sich die Mühe gemacht und einmal gezählt, wie oft sie und ihr Team der Apotheke im Nordharz Center in Blankenburg Rücksprache halten mussten. Herausgekommen ist eine lange Liste. „Diese Apothekenwoche war wieder sehr aufregend und hat gezeigt, wie wichtig es ist, dass die Apotheke vor Ort zur Stelle ist und ein offenes Ohr für ihre Patienten hat“, sagt sie.
Die Apothekenangestellten kennen es nur zu gut: Arztpraxen sind schwer zu erreichen. Bei einigen medizinischen Fachangestellten hat Bormann die privaten Nummern und kann sie in dringenden Fällen direkt kontaktieren. „Eine Praxis ist beim E-Mailen gut aufgestellt“, sagt die Apothekerin. Aber in die Center-Apotheke kämen viel Laufkundschaft und oft auch Klinikentlassungen – und deren Verordnerinnen oder Verordner seien schwer zu erreichen.
Die Rückfragen hätten seit dem E-Rezept zugenommen, da nichts mehr handschriftlich geändert werden dürfe, sondern in vielen Fällen eine neue Verordnung nötig sei. Oft geht es um nicht lieferbare Arzneimittel wie Bicanorm, Nephrotrans, Trulicity, Ozempic, Fosavance oder Atomoxetin oder um ältere Arzneimittel, die noch immer auf der Karte sind, und Entlassrezepte. „Wir sparen unserem Gesundheitssystem enorme Kosten und sind die niederschwelligste Anlaufstelle für Probleme unserer Patienten. Wann kommt das an, frag ich mich.“
Der Mehraufwand koste dem Personal viel Zeit: „Es ist schwierig, man erreicht die Ärzte oft nicht und wir müssen die Telefonate oft an die Nachmittagsschicht oder an den nächsten Tagdienst übergeben“, sagt Bormann. In der vergangenen Woche seien es sicher vier bis fünf Stunden gewesen, schätzt sie.
Bei der Beratung seien erneut mehrere Verordnungsfehler aufgefallen, sagt sie. In einem Fall sei einer Krebspatientin anstelle von Ondansetron das Neuroleptikum Olanzapin verordnet worden. „Es handelte sich hier um eine neue Medikation in ihrer frisch begonnenen Krebstherapie. Ich habe gefragt, ob sie an Schizophrenie leidet.“ Als die Patienten verneinte und ihren Medikationsplan holte, sei der Fehler aufgefallen.
Einer anderen – sehr jungen – Patientin wurde Colchysat aufgeschrieben. „Auf Nachfrage hatte sie noch nie einen Gichtanfall und war nur beim Hausarzt zur Kontrolle ihrer Schilddrüsenwerte. Das Medikament war für einen anderen Patienten und ist aber bei ihr gelandet. Dies bekommt man nur raus, wenn man aufmerksam zuhört und nachfragt“, sagt die Apothekerin. „Was passiert mit diesen Patienten, wenn diese Rezepte in den Versand gehen“, fragt sie sich.
Vor wenigen Tagen kam eine Frau, die nach ihrem Krankenhausaufenthalt ein Entlassrezept über Erythromycin erhalten hatte. Es sei für eine Infusion aufgeschrieben worden, kritisiert Bormann. Da das Mittel nicht verfügbar ist, habe sie ihr einen Kindersaft gegeben und die Patientin musste sich um ein neues Rezept kümmern.
Bei der Rücksprache mit den Praxen sei es für die dortigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oft schwer, die Gründe nachzuvollziehen. „Es tut ihnen sehr leid, oft können sie es nicht erklären.“ Sie seien auch personell unterbesetzt und überlastet. Die Inhaberin betont: „Und ich möchte nochmal sagen, dass mein ganzes Team dies aufdeckt. Sowohl die PTA, als auch wir Apotheker.“
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