Auf Apothekeninhaber:innen kommt mit der tariflichen Lohnsteigerung für pharmazeutische Angestellte nicht nur eine Mehrbelastung hinzu – auch der Unsicherheitsfaktor steigt. Zwar läuft das Geschäft vielerorts Corona-bedingt aktuell gut, doch Apotheker:innen fragen sich, wie sie die zusätzlichen Kosten dauerhaft stemmen sollen.
Das Tarifgehalt für Apothekenangestellte steigt rückwirkend zum Jahresanfang: Apotheker:innen und PTA bekommen 200 Euro mehr pro Monat, PKA ein Plus von 225 Euro. Im kommenden Jahr gibt es noch einmal 3 Prozent dazu. Hintergrund ist die geplante neue Mindestlohngrenze von 12 Euro – die den Druck auf die Löhne der pharmazeutischen Angestellten erhöhte. Was sich ändert und welche Berufsgruppe in welchem Berufsjahr ab sofort welchen Lohn bekommt, zeigt die Gehaltstabelle als Download. PKA liegen mit dem Anstieg von bis zu 12 Prozent aber weiterhin nur knapp über dem neuen Mindestlohn.
Viele Inhaber:innen unterstreichen deshalb, dass ihre Angestellten mehr Lohn verdienen, nur wissen sie nicht, wie sie die Mehrbelastung dauerhaft stemmen sollen.
Einer von ihnen ist Dr. Sven Schöne*. Der Inhaber war schockiert über die Anhebung der Tarifgehälter. Seinen Angestellten zahlt er bereits mehr Lohn als zwischen der Adexa und dem Arbeitgeberverband Deutscher Apotheken (ADA) ausgehandelt. Mit der jetzigen Anhebung komme auf ihn eine monatliche Mehrbelastung von 1590 Euro zu – inklusive der Arbeitgeberkosten. „Das tut weh“, sagt er. Das Problem sei, dass die Arbeitgeber nicht mehr Geld bekämen oder mit einer Erhöhung rechnen könnten.
Schöne warnt davor, dass sich auch das Ergebnis einer sehr gut laufenden Apotheke – wie es sein Betrieb sei – mit den Standortfaktoren schnell ändern könne. 2018 erwirtschaftete er rund 180.000 Euro. Im darauffolgenden Jahr ging das Ergebnis auf rund 157.000 Euro zurück, weil eine Arztpraxis wegfiel. Mit Beginn der Pandemie und der neuen Aufgaben und Einnahmequellen für Apotheken zog der Gewinn wieder an. Gründe seien beispielsweise Hamsterkäufe, das „Maskengeld“ oder die Vergütung für die Ausstellung der Impfzertifikate. Für das abgelaufene Jahr erwartet er 240.000 Euro. Bereinigt um die coronabedingten Effekte dürfte es bei rund 160.000 Euro liegen, schätzt er.
Beim Betriebsergebnis handele es sich jedoch um eine Art Bruttoeinkommen, das noch versteuert werden müsse. Letztlich blieben ihm damit rund 91.000 Euro. Davon müsse er noch Kredite bezahlen. Am Ende habe er „ein ganz gutes mittleres bis höheres vierstelliges monatliches Einkommen“, sagt er. „Aber auch mit diesem Einkommen hat man eine Haushaltsrechnung, private Kredite müssen getilgt werden.“ Zudem steige die Belastung im kommenden Jahr, weil die Gehälter um weitere 3 Prozent anstiegen.
Der Blick in die Zukunft sei ungewiss, so Schöne. Die Konkurrenzsituation könne sich ändern, weitere Ärzt:innen könnten abwandern und der Versandhandel könne weiter an Fahrt aufnehmen, was das OTC-Geschäft belaste. Dazu komme, dass die Apotheke als Vermögenswert „sehr unsicher“ sei, wenn sie nicht mehr verkauft werden könne. „Es ist ein Trugschluss, dass Kredittilgung ein Vermögensaufbau ist.“
Dazu komme die Inflation: „Sie betrifft auch die Inhaber und nicht nur Mitarbeiter. Auch wir haben eine Haushaltsrechnung.“ Die steigenden Lebenshaltungskosten seien eine weitere Belastung. Gerade für weniger gut laufende Apotheken „hauen die steigenden Personalkosten deshalb mehr rein“.
Wenn die finanzielle Situation sowieso angespannt sei, komme die Insolvenz jetzt ein Stück näher. „Daraus folgt eine Abwärtsspirale für Mitarbeiter, da sich Apotheken ‚gesund schrumpfen“ müssen.“ Diese Schließungen wiederum setzten Personal frei und die angespannte Arbeitsmarktsituation könne sich durch ein höheres Angebot an Personal entschärfen. „Dadurch hätten Mitarbeiter zukünftig weniger Verhandlungsspielraum.“ Schöne appelliert an die Politik, die Verwaltungskosten der Krankenkasse zu reduzieren und diese freien Mittel den Leistungserbringern zur Verfügung zu stellen.
Auch Hubertus Nehring aus Winsen macht auf den eingeschränkten Handlungsspielraum für Inhaber aufmerksam. „Das meiste verdiene ich über Rezepte, entweder sie kommen, oder nicht“, sagt der Inhaber der Apotheke am Markt. „Der Kuchen hier vor Ort ist verteilt, da gibt es nur marginale Verschiebungen.“ Mehr Einnahmen über das OTC-Geschäft hält er für unwahrscheinlich: „Ich werde die Preise nicht erhöhen, da wir hier bereits ein Spannungsfeld haben und uns der Versandhandel im Nacken sitzt.“
Apotheken könnten höhere Löhne stemmen, indem sie in neuen Bereichen aktiv würden. „Wir haben viele Praxen wegen der Versorgung mit Covid-19-Impfstoffen dazugewonnen, weil wir es hinbekommen haben, zu liefern.“ Eine weitere Möglichkeit sei, das Weihnachtsgeld zu streichen. „Aber das muss man kommunizieren, denn die Mitarbeiter schauen sich um, ob sie nicht woanders mehr erhalten.“
Der Chef von 15 Angestellten betont, dass er und sein Team zuletzt in der Pandemie viel gearbeitet hätten. „Das sollte man an seine Mitarbeiter abgeben. Ich haue das Geld nicht raus, möchte aber, dass sich meine Angestellten gut bezahlt fühlen.“ Die jetzige Anhebung der Tarifgehälter sei richtig gewesen. „Man muss sich einmal überlegen, was eine PTA oder PKA nach der Ausbildung verdienen. Da kann man sich sicher sein, dass es die eine oder andere Reinigungskraft in Deutschland gibt, die mehr verdient als eine PKA im ersten Jahr.“
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