Stadt oder Land? Diese Frage stellten sich die Menschen schon in der Antike, im Mittelalter und während der industriellen Revolution. Es geht nicht nur um Lebensqualität oder moralische Fragen – sondern oft schlichtweg um Geld. Auch Apothekerinnen und Apotheker werden sich demnächst wieder entscheiden müssen, wo sie ihren Beruf ausüben wollen.
Die AG Gesundheit hat entschieden, dass das Fixum pro Rx-Packung einmalig von 8,35 auf 9,50 Euro erhöht werden soll. Danach soll verhandelt werden; nach oben versteht sich! Aber jetzt kommt‘s: „In Abhängigkeit vom Versorgungsgrad kann es insbesondere für ländliche Apotheken in einem Korridor bis zu 11 Euro betragen.“
Das ist auf den ersten Blick nicht gerade verständlich formuliert, aber wohl genau der Sprachgebrauch, aus dem Gesetze gegossen werden. Während weite Teile der Fachöffentlichkeit noch grübeln, was mit „Versorgungsgrad“ gemeint ist, welche „Abhängigkeit“ zugrunde gelegt werden könnte, auf welches „Insbesondere“ die Landapotheken sich freuen können und ob ein „Korridor“ etwas Gutes oder Gefährliches ist, haben besonders pfiffige Kolleginnen und Kollegen längst ihren Hausstand aufgelöst und ihre Koffer gepackt.
Während in Zeiten der Industrialisierung im 19. und 20. Jahrhundert die Menschen vom Land in die Städte zogen, weil sie dort bessere Arbeitsmöglichkeiten und Lebensbedingungen suchten, setzt jetzt – zumindest bei den Apotheken – eine regelrechte Stadtflucht ein. Schließlich will jeder seinen Teil vom Extrakuchen abhaben. Für 1,50 Euro obendrauf ist im Grunde kein Weg mehr zu weit.
Schließlich hat die Treuhand Hannover ja schon vorgerechnet, dass die reguläre Erhöhung schnell wieder aufgezehrt sein wird. Und irgendwie sollen ja auch noch 75 Millionen Euro zusätzlich aus dem pDL-Topf umgeleitet werden. Hinzu kommt ein Honorar für Telepharmazie. Alles fließt in eine Richtung, im Grunde kann es für die berufstüchtigen Apothekerinnen und Apotheker der Zukunft gar nicht einsam und abgelegen genug sein.
Pampa, Walachei oder auch Jottwede sind also seit dem 26. März 2025 in der Welt der Pharmazie absolut keine negativ besetzten Begriffe mehr. Im Grunde seines Herzens wollte doch jeder irgendwann schon mal auf‘s Land! Weitab vom großstädtischen Gewühle ist die Luft einfach klarer, sind die Sonnenuntergänge schöner und die Menschen dankbarer. Warum wir da nicht früher darauf gekommen sind ...
Andererseits haben die Koalitionäre in spe ihre Ankündigung nicht umsonst so spitzfindig formuliert. Denn plötzlich drängen sich vier Apotheken auf dem Dorfplatz jeder 200-Seelen-Gemeinde, in der sonst weit und breit nichts mehr zu finden ist. Selbst in Dierfeld in der Vulkaneifel und in Gröde im Wattenmeer freuen sich die jeweils zehn Einwohnerinnen und Einwohner über ihre unverhofften Neuzugänge – und überlegen schon, ob sie jetzt nicht schon wieder zu gut pharmazeutisch betreut sind.
Doch es kam, wie es kommen musste. Immer dann, wenn man meint, den defintiv schlechtesten Standort gefunden zu haben, taucht umgehend ein Mitbewerber auf. Und mit dem Neuankömmling steigt der Versorgungsgrad schon wieder gefährlich, sodass der Tross früher oder später weiterzieht.
Und natürlich gibt es auch diejenigen, die auf jeder Party stören. Auch die Versender freuen sich über 1,50 Euro zusätzlich, auch wenn das Ganze bei ihnen zunächst als Konjunkturprogramm für die GDP-Umstellung gedacht ist. Aber ist nicht am Ende jedes zugestellte Paket auch so etwas wie Flächendeckung? Man darf gespannt sein, was Redcare & Co. sich einfallen lassen, um diese Extraprämie ebenfalls einzustreichen. Schönes Wochenende.