Seit der Corona-Krise gibt es für Apotheken und Arztpraxen vorübergehende Änderungen bei der Verordnung und Abgabe von Arzneimitteln. Um unnötige Kontakte zu vermeiden, haben die Krankenkassen die Rabattverträge gelockert. Klinikärzte dürfen Entlassrezepte ausstellen, die den Bedarf für 14 statt der bisher festgelegten 7 Tage decken. Um den erhöhten postalischen Aufwand zu entschädigen, können Ärzte Portokosten abrechnen. Auch bei der Verordnung von einzelnen Wirkstoffen sowie bei den Öffnungszeiten gibt es Änderungen. Dieser Apo-Tipp liefert eine Übersicht über den aktuellen Stand.
Kein Kunde soll noch einmal in die Apotheke kommen, weil sein Rabattarzneimittel nicht vorrätig ist. Apotheker können daher auch ein nicht-rabattiertes Arzneimittel abgeben. Möglich ist die Abweichung vom Rabattvertrag unter folgender Bedingung: „Dies gilt dann, wenn das rabattierte Medikament in der Apotheke, die der Patient aufsucht, nicht mehr vorrätig ist.“ Die Regelung ist zunächst bis zum 30. April befristet. Auf dem Rezept müssen die Sonder-PZN 02567024 sowie der zugehörige Faktor 5 (Verstoß gegen Rabattvertrag) beziehungsweise Faktor 6 (Verstoß gegen Rabattvertrag und Preisgünstigkeit) ergänzt werden. Eine handschriftliche Begründung wie „Covid“ sollte ebenfalls aufgebracht und abgezeichnet werden.
Grundsätzlich gilt:
Wird ein Rezept während der Sars-CoV-2-Pandemie eingelöst, ist in der Apotheke das rabattierte Arzneimittel abzugeben, sofern es vorrätig ist. Ansonsten kann auf das preisgünstigste vorrätige Arzneimittel ausgewichen werden.
Sonderfall AOK:Die AOK Nordost übernimmt im Ausnahmefall auch mögliche Mehrkosten. Die Ausnahmeregelung ist ebenfalls bis zum 30. April gültig. Ist kein wirkstoffgleiches Arzneimittel in der verordneten Dosierung vorrätig, kann ein Arzneimittel in abweichender Wirkstärke abgegeben werden. Ist kein wirkstoffgleiches Arzneimittel in der verordneten Darreichungsform vorrätig, kann nach pharmazeutischem Ermessen eine andere geeignete Darreichungsform geliefert werden. Wenn kein wirkstoffgleiches Arzneimittel in der verordneten Menge vorrätig ist, kann die Belieferung der Verordnung durch ein Arzneimittel in einer abweichenden Menge erfolgen (bei Überschreiten der Packungsgröße ist vor der Abgabe mit dem Arzt Rücksprache zu halten).
Rezepte dürfen seit dem 27. März und bis zum 31. Mai ohne direkten Arzt-Patienten-Kontakt ausgestellt werden. Hierfür muss der Zustand des Patienten aus der laufenden Behandlung bekannt sein. Das Rezept kann per Post oder auf andere Weise an den Versicherten übermittelt werden. Der Bundesmantelvertrag für Ärzte erlaubt es, in Ausnahmesituationen wie beispielsweise der Corona-Krise bekannten Patienten Folgerezepte auszustellen und diese per Post zuzusenden. Ein Patient gilt laut KBV als „bekannt“, wenn er im laufenden Quartal oder im Vorquartal persönlich in der Praxis vorstellig war.
Normalerweise dürfen im Rahmen des Entlassmanagements Arznei- und Verbandmittel (§ 31 SGB V) für einen Zeitraum von bis zu sieben Tagen verordnet werden. Dieser Bedarf wurde erhöht: Bis 31. Mai ist es gestattet, diese Produkte für die Versorgung in einem Zeitraum von bis zu 14 Tagen zu verordnen.
Normalerweise bedürfen Änderungen und Ergänzungen zu einer ausgestellten Verordnung der erneuten Unterschrift des behandelnden Arztes mit Datumsangabe. Um diesen Mehraufwand während der Pandemie zu vermeiden, dürfen Apotheken unklare Verordnungen nach Rücksprache mit dem behandelnden Arzt auch ohne das erneute Aufsuchen der Praxis durch den Patienten beliefern.
Um die Abgabe des Wirkstoffes Hydroxychloroquin auf zugelassene Indikationen zu begrenzen, sollen Ärzte nun die zugrunde liegende Erkrankung auf die Verordnung schreiben. Zu den möglichen Indikationen zählen: rheumatoide Arthritis, juvenile idiopathische Arthritis, systemischer Lupus erythematodes sowie die Malariaprophylaxe und -therapie.
Darüber hinaus sollen Arzneimittel wie Quensyl oder Palquenil nicht mehr als Privatrezept ohne Angabe der Indikation verordnet werden. Auch für den Eigengebrauch nach Vorlage des Arztausweises sollte keine Abgabe in der Apotheke erfolgen. Wurde keine Indikation vermerkt, so kann die Apotheke Rücksprache mit dem Arzt halten und die Indikation eigenhändig auf der Verordnung nachtragen.
Bis zum 31. Juni können Ärzte für Arzneimittelrezepte und andere Verordnungen sowie Überweisungen die Portokosten abrechnen. „Aufgrund des steigenden Bedarfs für nicht persönliche Arzt-Patienten-Kontakte im Zusammenhang mit der Coronavirus-Pandemie hat der Bewertungsausschuss festgelegt, dass den Ärzten die Portokosten für den Versand mit 90 Cent erstattet werden“, so die KBV.
Bei der Abgabe einer Teilmenge aus einer Arzneimittelpackung kann die Apotheke für die erste Stückelung Zuschläge gemäß § 3 Absatz 1 Satz 1 Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) erheben. Bei Auseinzelung weiterer Teilmengen aus derselben Packung kann nur einen Zuschlag von 8,35 Euro taxiert werden.
Per Eilverordnung wird nun der Botendienst von Apotheken zusätzlich vergütet: Fünf Euro pro Fahrt und eine einmalige Vergütung von 250 Euro. Durch den einmaligen Betrag sollen Apotheken bei der Anschaffung von beispielsweise Schutzausrüstung und Desinfektionsmittel unterstützt werden. Diese Dinge seien notwendig, um Botendienste auch weiterhin anzubieten. Die Verordnung ist befristet bis zum Ende der epidemischen Lage, längstens bis zum 31. März 2021.
Wie immer gilt: Um spätere Retaxierungen zu vermeiden, sollte der Apotheker jegliche Ergänzungen mit einer kurzen handschriftlichen Erklärung versehen und das jeweilige Datum ergänzen. Der Aufdruck der Sonder-PZN allein reicht nicht aus. Krankenkassen und der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) empfehlen Schlägwörter wie „Corona“, „Covid-19“ oder „Corona-Pandemie“ zu ergänzen.
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