Versorgungssicherheit hat Priorität – Exklusivverträge ungeeignet 23.11.2012 08:35 Uhr
Im Gespräch mit Stefan Neudörfer, Geschäftsführer der CSL Biotherapies:
1. Welchen Anteil leistet CSL Biotherapies, um Versorgungslücken – wie derzeit in Hamburg, Schleswig-Holstein und Bayern existent – zu schließen?
„Die jährliche Schutzimpfung mit dem saisonalen Grippe-Impfstoff ist und bleibt die effektivste Präventionsmaßnahme. Als Qualitätsanbieter und Traditionshersteller lassen wir uns an unserer Zuverlässigkeit messen. Wir konnten Afluria® bereits im August ausliefern. Weil unser Influenza-Impfstoff für Kinder ab fünf Jahren zugelassen ist, waren wir, von Anfang an, von Ausschreibungen – mit Ausnahme von Sachsen-Anhalt – ausgeschlossen. Dennoch konnten wir das für Deutschland bereitgestellte Volumen, verglichen mit dem Vorjahr, deutlich erhöhen, weil wir mehr Impfstoff produziert haben – auf eigenes Risiko. Das hat uns ermöglicht, gerade Bayern kurzfristig rund 650.000 Impfdosen zur Verfügung zu stellen.“
2. Weshalb ist es so schwierig, Impfstoffe kurzfristig zur Verfügung zu stellen?
„Impfstoffe sind biologische Arzneimittel – mit sensiblen und komplexen Herstellungsprozessen. Aufgrund der jährlichen Neuzulassung und der relativ kurzen Haltbarkeit, müssen fertige Impfstoffe direkt nach Produktion und Freigabe durch die Zulassungsbehörde ausgeliefert werden; Hersteller können sich damit nicht bevorraten. Kann, wie aktuell geschehen, ein Ausschreibungsgewinner nicht liefern, haben die übrigen Hersteller sehr begrenzte oder keine Möglichkeiten, kurzfristig einzuspringen.
Das Produktionsvolumen der Hersteller richtet sich wesentlich nach der jährlichen Einschätzung der Marktentwicklung und der eigenen Absatzerwartung, die seit Gelten des AMNOG, Anfang 2011, auch von Kassenausschreibungen abhängt. Das bedeutet, dass ein Impfstoff-Hersteller seine Produktion drosselt, sobald er von Teilmärkten ausgeschlossen ist.
Die so entstandenen Versorgungslücken sind deshalb schwerer zu schließen – als es vermutlich in anderen Bereichen der Fall wäre, man schneller auf Alternativpräparate ausweichen kann. Demnach sind Impfstoff-Engpässe definitiv kein logistisches Problem der Hersteller, sondern ein kostenmotiviertes Versorgungsproblem, das uns alle angeht!“
3. Welche Rahmenbedingungen müssen erfüllt sein, um maximale Versorgungssicherheit zu gewährleisten?
„Auch wenn der derzeit erlebte Lieferausfall eines Herstellers eine Extremsituation darstellt, zeigt er doch, welche Risiken Impfstoff-Rabattverträge potenziell beinhalten. Diese Punkte gilt es zu thematisieren und – gemeinsam mit allen Beteiligten – Lösungen zu entwickeln. Hohe Impfraten und eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Impfstoffen müssen oberste Priorität haben!
Soll die Versorgung flächendeckend sein, hat sie zuverlässig und zugleich flexibel zu sein, darf nach Möglichkeit keinen Mehraufwand für Apotheken und Arztpraxen mit sich bringen. Nur angesichts eines breiten Angebots von Impfstoffen, können Ärzte, u. a. bei Lieferengpässen, auf andere Impfstoffe ausweichen und diese, gemäß ihrer Eignung für bestimmte Patienten-Gruppen, individuell auswählen. Die gegenwärtige Ausschreibungspraxis lässt keine differenzierte Patienten-Versorgung zu und ist, was den sensiblen Bereich der Impfstoffe betrifft, ungeeignet.“