Ungeschminkt 11.04.2011 12:00 Uhr
Im April vor vier Jahren erschien die erste Ausgabe der Neuen Allgemeinen Gesundheitszeitung für Deutschland. Die Redaktion berichtet jeden Monat auf der Titelseite über gesundheitspolitische Themen, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Auch die aktuelle Ausgabe spricht Klartext: Im Leitartikel thematisiert die Neue Allgemeine Gesundheitszeitung die Verschleierungstaktiken in der Gesundheitspolitik. Während die Guttenberg-Affäre wochenlang die Schlagzeilen bestimmte, werden die dramatischen Verschleierungen im Gesundheitswesen kaum zur Kenntnis genommen - zulasten von Patienten, Versicherten und Leistungserbringern.
Die Neue Allgemeine Gesundheitszeitung für Deutschland erscheint deutschlandweit jeden Monat mit einer Auflage von 1 Million Exemplaren und ist kostenlos in Apotheken erhältlich.
GUTTENBERG IST ÜBERALL
Verschleierung ist üblich - ganz besonders in der Gesundheitspolitik Die Jagd ist aus. Das Halali ist verklungen. Der Politiker Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg ist erlegt und erledigt. Nur scheibchenweise hatte er sein gravierendes Fehlverhalten beim Abfassen seiner Doktorarbeit zugegeben. Die Empörung der Bürger im Lande über seine Verschleierungstaktik ist abgeebbt. In Deutschland ist wieder Ruhe eingekehrt.
Auch die CDU/CSU berappelt sich. In den Umfragen legt sie zu. Anscheinend hat sie den "Guttenberg-Verschleierungs-Faktor" wieder ausmerzen können. Die Bürger, die Wähler sind zufrieden. Der Gerechtigkeit und der Sauberkeit sind Genüge getan. Wirklich?
Verstehen kann man das nicht. Denn wer jetzt meint, mit dem Problem zu Guttenberg sei auch das Problem der Verschleierung in der Politik erledigt, der irrt. Verschleiert wird überall. Geschickt und mit Erfolg und auf allen Gebieten.
Das Problem ist nur: Die Öffentlichkeit merkt es nicht. Die Medien spielen nicht mit. Oder allenfalls auf Seite 3. Im Falle des ehemaligen Verteidigungsministers war das anders. Da opferten sie wochenlang die ersten Seiten. Da gingen die journalistischen Emotionen hoch. Da wurde in zahllosen Leitartikeln und Kommentaren berichtet und gerichtet. Als Folge fegte ein Sturm der Empörung über das Land. Zu Recht - meinen die einen. Übertrieben - glauben die anderen. Und jetzt? Ist Verschleierung in der Politik, die man nicht so medienwirksam aufbereiten kann, weniger verwerflich? Fest steht: Die wirklich großen Verschleierungen seitens der Politik sind zwar ungleich schwerer darzustellen, doch sind sie in ihren Auswirkungen für die Bürger tausendmal dramatischer als eine gepfuschte Doktorarbeit.
Bundeskanzlerin Angela Merkel will partout alle Länder der EURO-Zone unter einem noch größeren, milliardenschweren "Rettungsschirm" versammeln? Auch wenn sie noch so katastrophal gewirtschaftet haben? Sie und ihre Berater wissen, dass Deutschland am Ende die Zeche zahlen muss. Professor Hans-Werner Sinn, Volkswirt und Präsident des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung in München, urteilte in einem Interview mit der Tageszeitung "Rheinische Post" denn auch: "Hier findet eine grobe Irreführung der Öffentlichkeit statt." Also Verschleierung pur.
Die Regierung, allen voran Umweltminister Norbert Röttgen (CDU), will unbedingt den Biosprit E 10 einführen? Damit wird das Klima gerettet? Verschleiert wird, welche dramatischen Auswirkungen die landwirtschaftliche Produktion der "nachwachsenden Rohstoffe" auf die Umwelt in den ärmeren Ländern hat. Das Hilfswerk "Brot für die Welt" warnt vor den jetzt notwendigen Importen von Biomasse aus Entwicklungsländern: "Wie ein Flächenbrand dehnen sich diese Monokulturen in Afrika, Asien und Lateinamerika weiter aus und verhindern notwendige Agrarreformen, vertreiben bäuerliche Familien und rauben Indigenen die Lebensgrundlage", heißt es in einer Pressemitteilung vom 8. März 2011. "Die Umwandlung landwirtschaftlicher Erzeugnisse in Treibstoff ist ihre ineffizienteste Nutzung", fasste die Wochenzeitung "Die Zeit" in ihrer Ausgabe vom 10. März die Forderungen des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung nach einem Stopp der "ökologisch unsinnigen Beimischung von Biotreibstoffen in Benzin und Diesel" zusammen.
Die Bundesregierung lässt sich davon nicht beirren. Die katastrophalen Folgen dieser ihrer Klimapolitik verschleiert sie. Geht es in der Gesundheitspolitik transparenter, ehrlicher, etwa moralischer zu? Mitnichten. Verschleiert wird, dass eine Diskussion über die "Priorisierung" von Gesundheitsleistungen längst überfällig ist. "Priorisierung" ist die elegante Umschreibung der Fachleute für die Tatsache, dass nicht jeder Kranke alle an sich notwendigen Leistungen, alle Operationen, alle innovativen Medikamente mehr bekommen kann. Es müssen eben Prioritäten festgelegt werden, von wem auch immer: Wer kann, wer darf in welchem Alter und bei welcher Krankheit noch welche Therapie bekommen?
Der Grund? Die Gesellschaft - das sind wir alle - will dem Gesundheitswesen nicht mehr die notwendigen Finanzmittel zur Verfügung stellen. Das wollen uns jedenfalls die Gesundheitspolitiker weismachen. Doch um die dann notwendigen Diskussionen über Leistungseinschränkungen drücken sie sich herum. Nur nicht darüber reden, lieber verschleiern. Verschleiert wird die absolute Höhe der versicherungsfremden Leistungen, die man der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) aufgebürdet hat.
"Versicherungsfremde Leistungen" sind Belastungen der Krankenkassen aus politischen Gründen, die rein gar nichts mit der GKV zu tun haben. Sie sind eigentlich von der Allgemeinheit zu tragen, nicht von den Versicherten. Dazu gehören etwa die beitragsfreie Mitversicherung von Familienangehörigen ebenso wie Haushaltshilfen, Mutterschaftsgeld oder Leistungen rund um die Schwangerschaft. Das sind aber beileibe nicht alle versicherungsfremden Leistungen. Experten des Fritz Beske Instituts für Gesundheits-System-Forschung in Kiel haben einen Betrag von mehr als 45 Milliarden Euro pro Jahr errechnet und detailliert nachgewiesen. Der Staat zahlt in diesem Jahr gerade einmal 13,3 Milliarden als Ausgleich. Verschleiert wird, dass der Staat für die Arbeitslosen nur die halben Beiträge zur Krankenversicherung an die Krankenkassen zahlt. Allein dies bringt der GKV Mindereinnahmen von 4 Milliarden Euro pro Jahr. Auch hier gilt: Wieso belastet die Politik die Gesetzliche Krankenversicherung mit Kosten, die die Arbeitslosenversicherung oder die Allgemeinheit zu tragen haben? Man stelle sich nur einmal vor, man überwiese einer Versicherung - sagen wir der Kfz-Versicherung - nur den halben Beitrag. Wie lange würde sich das Versicherungsunternehmen diese Frechheit wohl gefallen lassen? Angenehmer Nebeneffekt all dieser Verschleierungen für den jeweiligen Gesundheitsminister: Mit schöner Regelmäßigkeit konnte bisher noch jedes Jahr verkündet werden, dass wieder einmal ein Defizit in der Gesetzlichen Krankenversicherung zu erwarten oder zu verzeichnen sei. Und dass aus diesem Grunde neue Leistungseinschränkungen für die Patienten nötig seien. Und dass Beitragserhöhungen für die Versicherten unumgänglich seien. Und dass die Krankenkassen Zusatzbeiträge erheben müssten, wenn sie mit dem Geld des Gesundheitsfonds nicht auskämen. Und dass man Krankenhäusern, Ärzten und Apotheken wieder Geld wegnehmen müsse, auch wenn es noch so dringend für Investitionen und Personal benötigt würde. Und, und, und ...
Gegenüber den Versicherten ist dies ein ungeheurer Vertrauensbruch. Von deren Beiträgen könnte die Gesetzliche Krankenversicherung blendend und ohne "Zuschuss" des Staates finanziert werden, würden die "Verschiebebahnhöfe" zu Lasten der GKV endlich so konsequent abgerissen wird wie man es mit dem Hauptbahnhof Stuttgart vorhat. Doch Verschleierung ist nicht nur ein Mittel der großen Politik, die Krankenkassen können es auch: Man denke nur einmal an die angeblich so hohen Gewinne aus den sogenannten "Rabattverträgen". Das Problem der Rabattverträge kennt inzwischen jeder Patient, dem sein Arzt ein bestimmtes Medikament verschrieben hat. Seit es durch mehrere "Reformgesetze" in den letzten Jahren den Krankenkassen erlaubt ist, mit einzelnen Arzneimittelherstellern Verträge über die Gewährung von Rabatten auf deren Medikamente abzuschließen, müssen sich die Kranken immer wieder auf neue Arzneimittel einstellen. Das führt zu großer Unsicherheit. Die Krankenkassen verharmlosen das Problem. Sie weisen hohe Gewinne aus den Rabattverträgen aus. Das macht Eindruck. Doch sind die Gewinne echt?
Verschleiert wird, dass etliche Arzneimittel trotz des Rabatts teurer sind als die günstigsten im Markt. Verschleiert wird, dass hohe Kosten für den Abschluss der Verträge - Ausschreibungen, Angebotsprüfungen, Verhandlungen, rechtliche Auseinandersetzungen - die Gewinne schnell wieder auffressen. Verschleiert wird auch, dass die Patienten als Folge der Rabattverträge bereits auf 50 Prozent aller Rabattarzneimittel ärgerliche Zuzahlungen leisten müssen. Doch die Kassen schweigen. Zurück zum (tiefen) Fall des Freiherrn zu Guttenberg. "Abschreiben", die Bedeutung dieses Begriffes war jedermann klar. Deshalb - und wegen der geballten Informationsflut durch die Medien - war die Aufregung in Deutschland über die Plagiate in seiner Doktorarbeit und seine Verschleierungstaktik nach dem Bekanntwerden so groß. Doch Guttenberg ist überall.
48 x DIE WAHRHEIT
Ein Kommentar der Redaktion in eigener Sache
Der 1. April 2007 war ein besonderer Tag: Die erste Ausgabe der Neuen Allgemeinen Gesundheitszeitung für Deutschland lag in den Apotheken aus. Inzwischen ist sie vier Jahre und 48 Ausgaben alt. In ihren Leitartikeln und Kommentaren hat sie immer wieder die vielen gravierenden Fehlentscheidungen im Gesundheitswesen aufgedeckt und angeprangert. Ihren Platz auf Seiten der Millionen Patienten und Beitragszahler wird die Neue Allgemeine Gesundheitszeitung auch in Zukunft verteidigen. Wer tut es sonst?
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