Warum die Bestrahlung von Cannabisblüten unerlässlich sein sollte 21.09.2021 08:47 Uhr
Eine bestmögliche mikrobiologische Qualität von medizinischen Cannabisblüten ist von großer Bedeutung, um die teils hochgradig vulnerablen Patienten zu schützen. Hierfür hat sich weltweit die Behandlung mit ionisierenden Strahlen etabliert, um die Keimzahl zu reduzieren. Dennoch bestehen bei Patienten immer noch Unsicherheiten und Vorbehalte gegenüber bestrahlten Cannabisblüten. Apotheker Markus Hanl erläuterte im Tilray-Webcast im Rahmen der Expopharm Impuls 2021, warum die Bestrahlung aus seiner Sicht unerlässlich sein sollte.
„Das Thema Bestrahlung wird unter Cannabispatienten sehr kontrovers diskutiert“, so Markus Hanl, angestellter Apotheker in der Apotheke LUX 99 in Hürth. „Für einige steht es im Widerspruch zum Verständnis einer natürlichen Medizin und sie befürchten einen Qualitätsverlust.“ Im Vordergrund sollte dagegen die medizinische Notwendigkeit niedriger Keimzahlen stehen – und für diesen Zweck ist Bestrahlung eine anerkannte Methode bei medizinischem Cannabis. Denn die Möglichkeiten Keimzahlen allein durch die Anbaubedingungen zu reduzieren sind begrenzt.
Mikrobiologische Anforderungen: Keine einheitlichen Standards
Obwohl die Keimbelastung für nicht bestrahlte Produkte nachweislich um ein Vielfaches höher liegt, ist die Bestrahlung kein verpflichtender Standard. Vielmehr werden unterschiedliche – mehr oder weniger strenge – Akzeptanzkriterien zugrunde gelegt, so dass sich zwei unterschiedliche mikrobiologische Qualitäten im Markt etabliert haben. „Wünschenswert wäre die Definition einheitlicher Standards, die die Patientensicherheit in den Vordergrund stellen“, appelliert Hanl.
Vor allem für immunsupprimierte Patienten seien Gesundheitsrisiken durch mikrobiologische Belastung bekannt, erläutert Hanl. Aber auch Menschen, deren Lunge durch Rauchen vorgeschädigt ist, könnten einem höheren Risiko ausgesetzt sein.
„In der Praxis erleben wir immer wieder Reklamationen von Patienten, die angeben ihre unbestrahlten Cannabisblüten seien von Schimmel befallen, was bei Inhalation sehr gefährlich sein kann. Für die Apotheke ist dies meist nur schwer oder gar nicht nachprüfbar“, berichtet der Apotheker. Zu den wichtigsten humanpathogenen Keimen zählen etwa Schimmelpilze der Gattung Aspergillus, die schwerwiegende Infektionen – teils sogar mit tödlichem Verlauf – hervorrufen können.
Bestrahlung schont das Produkt und schützt den Patienten
Die Bestrahlung ist (z. B. im Vergleich zur Hitzesterilisation) eine produktschonende Methode. Das Produkt wird hierbei einer Strahlungsquelle ausgesetzt, bis eine definierte Dosis erreicht ist. Im Fall von Cannabisblüten wird gängigerweise Gamma-Bestrahlung mit Kobalt 60 und Elektronenstrahl- Sterilisation (E-Beam Verfahren) eingesetzt, Radionuklide entstehen dabei nicht. In der Verordnung über radioaktive oder mit ionisierenden Strahlen behandelte Arzneimittel (AMRadV) sind diese Bedingungen genau festgelegt. In § 2 AMRadV ist die Erlaubnis zur Verminderung der Keimzahl festgeschrieben und auch die maximale Strahlendosis (32 Kilogray (kGy)), die maximale Energie der Strahlungsquellen für Gamma-Bestrahlung (Kobalt 60 oder Caesium 137) sind festgelegt. Die Bestrahlung muss durch die zuständige Bundesoberbehörde zugelassen werden, bei Cannabisblüten durch die Cannabisagentur.
Etablierte Anbieter von medizinischem Cannabis wie Tilray, die aktuell als einzige Hersteller das BfArM mit deutschem Cannabis beliefern, bestrahlen alle ihre Blütenprodukte. Erst in jüngerer Vergangenheit sind unbestrahlte Blüten auf den Markt gelangt – was ggf. auch durch den geringeren regulatorischen Aufwand auf Anbieterseite begründet sein könnte. Zurzeit ist die Bestrahlung noch nicht rechtlich bindend und für jedes bestrahlte Produkte benötigt man die o. g. zeit- und kostenintensive, separate Zulassung nach AmRadV. Hersteller wie Tilray, die alle Cannabisblüten bestrahlen lassen, wählen dennoch diesen Weg, um die Patientensicherheit an erste Stelle zu setzen.
Eine Untersuchung konnte zeigen, dass die anfänglich erwähnten Bedenken von Patienten bezüglich eines möglichen Qualitätsverlustes unbegründet sind: Bei vier unterschiedlichen Cannabissorten konnte durch Gamma-Bestrahlung kein Unterschied in Hinblick auf THC- und CBD-Gehalt festgestellt werden. Auch das Terpenprofil blieb qualitativ erhalten.1
"Der Benefit hinsichtlich der Sicherheit schwerkranker Patienten sollte zukünftig klar im Vordergrund stehen, die Bestrahlung rechtlich bindend und Gesetzeslücken geschlossen werden – für einheitliche Qualitätsstandards“, so das Fazit des Referenten.
Über Tilray
Tilray ist eines der weltweit führenden Unternehmen bei der Erforschung, Herstellung und dem Vertrieb von medizinischen Cannabinoiden. Dabei kann Tilray auf die Erfahrung mit zehntausenden behandelten Patienten in achtzehn Ländern auf fünf Kontinenten zurückgreifen. Weitere Information finden Sie auch auf tilray.de.
1Hazekamp A. Evaluating the Effects of Gamma-Irradiation for Decontamination of Medicinal Cannabis. Front Pharmacol. 2016 Apr 27;7:108. doi: 10.3389/fphar.2016.00108. eCollection 2016.