So sanft wie ihr Ruf? 29.08.2011 08:26 Uhr
Natürliche Hilfe aus der Natur ist in deutschen Apotheken sehr gefragt. Laut einer Umfrage des Allensbach-Instituts¹ haben bereits rund 3/4 der Bevölkerung ab 16 Jahren bei Erkrankungen wie Atemwegsinfektionen, Schlafstörungen oder Magen-Darm Problemen Arzneimittel mit natürlichen Wirkstoffen verwendet - Tendenz steigend. Pflanzliche Arzneimittel werden im Gegensatz zu chemisch-synthetischen Präparaten von vielen Kunden als besonders verträglich und nebenwirkungsarm angesehen.
Trotzdem wird immer wieder die gute Verträglichkeit von pflanzlichen Arzneimitteln hinterfragt. Als Gegenbeispiele oft herangezogen werden z. B. Wechselwirkungen und Sonnenempfindlichkeit unter Johanniskraut, Blutungsrisiken unter Ginkgo und Lebernebenwirkungen unter Kava-Kava- oder Schöllkraut-Präparaten. Derzeit wird in diesem Zusammenhang auch das bekannte und weit verbreitete Erkältungspräparat Umckaloabo® diskutiert.
Anlass ist der Fall eines 40-jährigen Mannes ohne bekannte Vorerkrankungen und Dauermedikation, der einige Wochen nach der Einnahme von Umckaloabo® stationär wegen einer Hepatitis behandelt wurde. Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AKdÄ) nahm diesen Fall zum Anlass darüber zu berichten, dass unter der Therapie von Umckaloabo® in sehr seltenen Fällen erhöhte Leberwerte beobachtet wurden, die in Einzelfällen auf entzündliche Leberveränderungen hinweisen können.
Diese Beurteilung der Arzneimittelkommission kritisieren einige Experten sehr deutlich u. a. Prof. Dr. Dr. Loew aus Wiesbaden. Der klinische Pharmakologe war als langjähriges Mitglied der Kommission E im Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) u. a. dafür zuständig, das BfArM bei der Zulassung von pflanzlichen und traditionellen Arzneimitteln zu beraten. Aus seiner Sicht sei der diskutierte Fall schlecht dokumentiert und von der Arzneimittelkommission nur oberflächlich bewertet. Nach seinen Recherchen fehlten nicht nur zeitliche Angaben, die für eine fundierte Beurteilung obligat wären, sondern die beschriebenen Befunde seien sogar für eine arzneimittelbedingte Leberentzündung untypisch und sprächen stark für eine Virusinfektion als Ursache. Weiterhin kritisiert er das Deutsche Ärzteblatt als Veröffentlichungsorgan der AKdÄ, das sich nicht an die von ihm selbst publizierten Leitlinien für die Beurteilung solcher Verdachtsfälle halte. Sein Fazit: „Nichts verunsichert Ärzte und Apotheker mehr als schlecht recherchierte, unvollständige Meldungen über schwerwiegende Nebenwirkungen in der Fachpresse“².
Auch der Hersteller (Spitzner Arzneimittel, Ettlingen) verweist auf die extrem geringe Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhangs zwischen der Einnahme von Umckaloabo® und der Entstehung einer Hepatitis. Daten aus klinischen Studien³ mit nahezu 10.000 Probanden belegten keine schwerwiegenden Leberfunktionsstörungen. Das Risiko hierfür läge deutlich unter 1: 1.000.000⁴ und damit weit unter der Nebenwirkungsrate von täglich vielfach in der Apotheke abgegebenen nicht verschreibungspflichtigen Wirkstoffen, wie z. B. Paracetamol oder Ibuprofen.
Für die Beratungspraxis schadet es bei diesen Wirkstoffen und auch bei Umckaloabo® sicher nicht, nach den in der Gebrauchsinformation vermerkten Kontraindikationen (z. B. Leberfunktionsstörungen) zu fragen. Dennoch ist Augenmaß gefragt: Denn bei Umckaloabo® handelt es sich nicht um einen neuen oder selten eingesetzten Wirkstoff, sondern um ein in verschiedenen Darreichungsformen zugelassenes Arzneimittel, mit dem in den letzten 15 Jahren allein in Deutschland ca. 50 Millionen Patienten behandelt wurden.
¹ Allensbacher Archiv, ID-Umfrage 10056, Juni 2010 oder www.ifd-allensbach.de/pdf/naturheilmittel.pdf
² Deutsche Apotheker Zeitung Nr. 34 vom 25.08.2011 S. 3885
³ Umckaloabo® Pelargonium sidoides Extrakt (EPs® 7630) Wissenschaftliche Basisbroschüre, 4. Auflage 2011
⁴ Buschulte I, Köhler S: Periodic Safety Update report on the tolerability of Pelargonium sidoides Extrakt EPs® 7630, ISO Pharma, Ettlingen 2011
s&k healthcare communication
Frau Kathrin Lamm